Wohl weil das Motto des diesjährigen Forum Alpbach „Die Zukunft der Jugend“ lautete, fühlte sich die Gilde der sogenannten Jugendforscher in der zweiten Augusthälfte dazu berufen, mit Eifer neue Klischees über die nächste Generation in die Welt zu setzen.
„Generation mutlos“ titelte der „Kurier“ in einer seiner Sonntagsausgaben. Jugendforscher Heinzlmaier reimte dazu, die Jungen aus der „Generation Inszenierungsgesellschaft“ (was das ist, blieb unerläutert) seien nicht kritikfähig. Ihr Mitläufertum sei eine Katastrophe. Heute reagiere das Prinzip der Anpassung zum eigenen Vorteil. Keine Mission, keine Vision, keine Revolution sei erkennbar. Und so fort.
Vierzehn Tage darauf in der Presse die nächste Verbalattacke durch Philipp Ikrath, gleich seinem österreichischen Kollegen in Hamburg tätig, wo die Jugendforschung zu blühen scheint. Sein Ansatz klingt noch abwertender: es handle sich schlicht um „eine Generation verhindert Spießer“, die sich nach einem Leben mit heiler Familie sehne. Nun denn.
Erst im zweiten Halbsatz fügt er etwas nachdenklicher hinzu: „In der Realität sind sie aber mit überzogenen Mobilitätsanforderungen, ständigem Leistungsdruck und beinhartem Konkurrenzkampf konfrontiert, was ein unauffälliges, dafür aber zufriedenes Leben für sie zunehmend utopisch erscheinen lässt“. Das scheint mir recht gut beobachtet, passt aber in keine Schlagzeile. Vor allem aber ist es semantische Fallenstellerei, das unauffällige, zufriedene Leben als unerreichbar zu idealisieren und zugleich das Streben danach als verhindertes Spießertum zu diskreditieren.
Indem sie ganze Generationen über immer billigere Leisten scheren, tun unsere Juveniltheoretiker genau das, was sie den Jungen vorhalten: sie betreiben Anpassung zum eigenen Vorteil und produzieren, was die Medien von ihnen erwarten. Aber hat man jemals „die Jugend“ verstanden, ohne ihr zuzugehören? Gerade weil die Vielfalt der Gruppierungen und sozialen Schichtungen noch nie so groß war wie heute, müssen eindimensionale Zuschreibungen zu kurz greifen.
Die Jungen in die Überforderung zutreiben, um das Weltganze zu retten, ist anmaßend. Die Chance auf ein gelingendes Leben liegt doch vor allem darin, im eigenen Umfeld Nähe und Beziehung zu leben und darüber den Blick aufs Ganze nicht zu vergessen. Wer daraus auch noch die Kraft zieht, in Teilbereichen der Gemeinschaft oder gar der Gesellschaft zu dienen, trägt mehr zur Weltverbesserung bei als die ungebetenen Anstifter von Jugendrevolten.
Ich wünschte mir differenzierte Studien kluger Gesellschaftswissenschaftler, die einen ebenso kritischen Blick auf all die Vorhaben und all das Scheitern unserer eigenen, heute an der Macht befindlichen Generationen werfen, beginnend bei mittlerweile frühpensionierten Alt-Achtundsechzigern über die Euro- und Öko-Utopisten bis zu den Finanzallchemisten der untergangenen New-Economy und der ihr folgenden Bankenkrise. Wenn sie uns nur nicht das Label „Generation ratlos“ verpassen!
13. Oktober 2012