Vor fast genau fünf Jahren, mitten im Sommer, war zum ersten Mal von einer „Subprime-Krise“ zu hören. Anfangs bestand noch Hoffnung, es handle sich bei den uneinbringlich gewordenen, aus Kreditforderungen an schlechte Immobilien-Schuldner gezimmerten Wertpapieren um ein auf Amerika begrenztes Phänomen. In Wirklichkeit waren sie jedoch Symptomträger eines zutiefst erkrankten Finanzsystems. Nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 wurde daraus ein Flächenbrand. Die den überschuldeten Banken mit Haftungen beispringenden Staaten verhinderten das Schlimmste, bis uns die Folgekosten eine ausgewachsene Staatsschuldenkrise bescherten.
Das Auf und Ab des Euro-Krisenmagements gleicht dem hektischen Geschehen auf einem Floß auf hoher See, das von seinen Erbauern einst zusammengefügt wurde, um auf dem Meer der Globalisierung zu überleben. Als ein heftiger Sturm aufkommt, der den Zusammenhalt des fragilen Konstrukts zu gefährden droht, werden die sogleich einsetzenden Rettungsmaßnahmen durch einen heftigen Streit über die Frage behindert, ob der seinerzeitige Bau des Floßes nicht ein Fehler war. Einige beginnen, die verbindenden Taue zu kappen, während andere sich zugleich darum bemühen, sie fester zu zurren.
In immer dichteren Abständen werden Pakete geschnürt und Schirme aufgespannt, mit denen Zeit zur Budgetsanierung und Wiedergewinnung des Vertrauens der Gläubiger gekauft werden soll. Sie reicht aber nie ganz aus, weil selbst dort, wo der Staatshaushalt vor Finanzierungskosten Überschüsse erzielt, höhere Anleihezinsen den Sanierungserfolg wieder zunichte machen. So kommt es, dass sich Italien trotz eines beachtlichen „Primärüberschusses“ von 3,1 Prozent des Bruttosozialprodukts nicht aus der Schuldenschere befreien kann, sind doch die Zinskosten für neue zehnjährige Anleihen mittlerweile auf über 6 Prozent angestiegen.
Italiens Premierminister Mario Monti warnte deshalb vor dem jüngsten EU-Krisengipfel, es trennten uns nur wenige Tage vor dem Absturz. Sein Appell wurde ernst genommen. Nach einer langen Verhandlungsnacht einigte man sich darauf, dass der neu geschaffene Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) direkte Kredite an Banken vergeben und Staatsanleihen kaufen darf. Die Börsen reagierten wieder einmal mit sprunghafter Euphorie. Spätestens wenn klar wird, dass nach der Gipfeleinigung noch viele Details offen sind, werden sie wohl neuerlich in Depression verfallen.
Wirkliches Vertrauen in die Gemeinschaftswährung wird erst dann wieder entstehen, wenn ein schlagkräftiger Europäischer Währungsfonds dafür sorgt, dass jenen Ländern, die ihren Budgetkurs diszipliniert einhalten, die übermäßigen Zinslasten dauerhaft gelindert werden. Das Zeitfenster für einen solchen pragmatischen Mittelweg zwischen unerwünschter Schuldenunion und ungeordnetem Zerfall der Eurozone wird aber nicht unbegrenzt offen bleiben. Die Taue des Euro-Floßes müssen noch fester gezurrt werden, wenn wir in der Globalisierung bestehen wollen.
05. Juli 2012