Der überraschende Management-Wechsel an der Spitze der ÖIAG lässt eine erneute Grundsatzdiskussion über die Zukunft der Verstaatlichten-Holding erwarten. Zu hoffen ist, dass sie über den zu erwartenden Koalitions-Streit um Personalfragen hinausreicht – auch wenn der Zeitpunkt dafür denkbar ungünstig scheint.
Zu den Kollateralschäden, die der vorvorletzte Finanzminister angerichtet hat, zählt nämlich ein gegenüber Privatisierungen feindliches Klima. Denn die im parlamentarischen Untersuchungsausschuss offenkundig gewordenen Klüngeleien und gerichtsanhängigen Korruptionsfälle erwecken den falschen Eindruck, derartiges gehe geradezu automatisch mit Privatisierungen einher.
Dazu kommt eine immer schon misstrauische Einstellung seitens der Sozialdemokraten, die während der Koalition der Neunzigerjahre, im ersten Erfolgsjahrzehnt der Verstaatlichten-Holding, erfolgreich aufgebrochen wurde. Damit war es wieder vorbei, als von der kleinen Koalition die Fehlentscheidung getroffen wurde, den Aufsichtsrat der ÖIAG nicht durch Vorschläge der zuständigen Ministerien sondern aus sich selbst heraus nach zu besetzen. Diese Entmachtung des Eigentümers – ziemlich einzigartig in der Kapitalmarktwelt – hat die Stimmung weiter verhärtet, ohne in Wirklichkeit die Abhängigkeit vom jeweiligen Finanzminister zu lockern.
Dabei ist die rund ein Vierteljahrhundert alte Geschichte der Privatisierung trotz einiger unbestreitbarer Fehlschläge (Creditanstalt, Austria Tabak) in Summe ein höchst beachtlicher Erfolg. Noch Ende der Achtzigerjahre umfasste die österreichische Staatswirtschaft ein Drittel der Gesamtwirtschaft. Das war damals immerhin mehr, als der sich heute nur mehr auf 28 Prozent der Wertschöpfung belaufende Anteil staatlicher Arbeitsplätze am gesamten Arbeitsmarkt des kommunistischen China.
Nachdem zumindest auf Bundesebene die mit Eigentumsübertragung verbundenen Privatisierungspotentiale weitgehend ausgeschöpft sind, wäre nun überlegenswert, aus der ÖIAG auch eine Infrastruktur-Holding zu machen, in der – nach Reparatur der Aufsichtsratskonstruktion – auch die Zuständigkeit über Infrastrukturunternehmen des Verkehrs (ÖBB und ASFINAG) und der Energiewirtschaft angesiedelt ist. Eine solche Erweiterung hat jede der beiden Großparteien schon einmal befürwortet – allerdings war dann die jeweils andere dagegen.
Noch lohnender aber wäre die Freilegung jener großen Wertschöpfungspotentiale, die in der Organisations-Privatisierung liegen. Gemeint ist damit die Trennung von beengenden kameralistischen Vorschriften und überholten Dienstrechten. Die diesbezüglichen Erfolge – von Schönbrunn über die Bundesimmobilien-Gesellschaft BIG bis zur Österreichischen Nationalbibliothek – sollten Ansporn sein, in verwandten Themenfeldern mehr Entscheidungsautonomie, Ideen-Wettbewerb und Professionalität freizusetzen.
In das ideologisch totgelaufene Privatisierungsthema neuen Schwung zu bringen: das wäre sogar eine Unterbrechung des permanenten Vorwahlkampfes wert.
21. Juni 2012