die furche - 9

Reisen mit Menschen

 

„Entwurf für eine Reise ohne Menschen. Entwurf für eine Reise ohne Ziel“. Der Titel dieser beiden genialen Prosastücke von Peter Rosei aus den Siebzigerjahren stand mir im Lauf der Jahre immer wieder vor Augen. Und zwar vor allem dann, wenn es um gescheiterte Utopien ging. Denn Utopien sind ja meist menschenleer, seltsam abstrakt, weit weg vom lebendigen Leben.

 

Jene an die Spitze getriebene, einseitig an den Maximierungszwängen der Kapitalmärkte ausgerichtete Form von Marktwirtschaft, die gerade allerorten an ihre Grenzen stößt, war so eine Utopie. Gerade als wir ihrer Erfüllung immer näher zu kommen schienen, erwies sie sich als Fehlkonstruktion.

 

Den nächsten Entwurf eines menschengerechten Wirtschaftssystems dürfen wir nicht mehr den Vertretern der reinen Lehre des „Der Markt hat immer Recht“ überlassen. Wenn wir eine Marktwirtschaft wollen, die nicht nur im Boom funktioniert, sondern sozial und ökologisch langfristig tragfähig ist, werden wir uns über ihre wichtigsten Ziele gesellschaftlich zu verständigen haben.

 

Die Repräsentanten der Wirtschaftselite in Davos waren von diesem Ansatz wohl noch einigermaßen entfernt. Hängen blieb vor allem, dass ausgerechnet der russische Ministerpräsident vor all zu viel Staat warnte. Und doch zeigte man nicht mehr die arrogante Selbstgewissheit der Jahre zuvor, als vereinzelte „Bedenkenträger“ mit ihren skeptischen Einwürfen geduldet, aber nicht wirklich ernst genommen wurden.  

 

Diese Stimmung aufnehmend veröffentlicht in diesen Tagen der Manager und Publizist Klaus Woltron sein Buch über „Die Perestroika des Kapitalismus“. Ich merke, wie es mir widerstrebt, die von ihm beabsichtigte Analogie anzuerkennen, weil diese Zuspitzung nach meinem Geschmack auf eine Verharmlosung des Kommunismus hinausläuft.

 

Und doch taucht dieses Bild immer häufiger auf: dass dem „Westen“ 1989 der wichtigste Systemkonkurrent abhanden kam und sich erst dann der angloamerikanische Wirtschaftsstil durchsetzte. Wir Europäer machten mit, passten unsere Bilanzierungs- und Pensionssysteme und überhaupt unser gesellschaftliches „Geschäftsmodell“ an – und merken heute, dass der „europäische Traum“ (Jeremy Rifkin) doch viel attraktiver ist.

 

Dieser Traum heißt Soziale Marktwirtschaft. Er entstand vor gut sechzig Jahren als Alternative zum gescheiterten Laissez-faire-Kapitalismus der Dreißigerjahre und harrt der Neubelebung unter den Bedingungen der Globalisierung. Als Reise mit Menschen, nicht nur mit Shareholdern.     

Februar 2009

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