Vorausgeschickt sei: ich bin durchaus ein Föderalist. Mein Loblied auf bürgernahe, dezentrale Politik kann viele Strophen haben, wenn mir danach ist. Das, was die Landeshauptleute aus der schönen Idee machen, verschlägt mir allerdings immer öfter die Sangeslaune. Aus aktuellem Anlass bin ich mir sogar sicher, dass wir die Provinzialisierungs- mehr noch als die Globalisierungsfalle zu fürchten haben.
Erst jüngst haben die Damen und Herren Landeshauptpersonen ein so unfeines Beispiel ihrer immer unheiligeren Allianz gegen „den Bund“ geliefert, dass es von einer der unzähligen Distanzierungsübungen gegenüber „Brüssel“ fast schon nicht mehr zu unterscheiden war.
Es ging um das Vorhaben von Innenministerin Maria Fekter, Entscheidungen über das so genannte humanitäre Bleiberecht zur Ländersache zu machen. Nach all den Fällen, in denen sich Bürgerinnen und Bürger in konkreter Kenntnis betroffener Personen und Situationen für Einbürgerungen und gegen den Bund engagiert hatten, erschien mir das als ein zumindest diskutabler, pragmatischer Vorschlag.
Mehr hat die Innenministerin nicht gebraucht. Noch bevor es überhaupt zu Verhandlungen darüber kam, war die Idee durch ein Veto aller Landesmächtigen im Keim erstickt und als angeblich undelegierbare Bundesaufgabe in verdächtiger Eile an die Absenderin zurückverwiesen. Hinter vorgehaltener Hand gaben sie ein paar Tage danach sogar offen zu, dass man in so heiklen Fragen nicht selbst Verantwortung übernehmen wolle. Zu ergänzen ist das Unausgesprochene: Wie sonst könnte man sich weiter bürgernah hinter gut integrierte Flüchtlingsfamilien stellen, wenn Wien wieder einmal zu stur war.
In welcher Verfassung steht eigentlich geschrieben von dieser Landeshauptleutekonferenz, die sich immer mehr zur obersten Zensurinstanz jeglichen Reformschwungs aufspielt? Die den Rechnungshof ausrutschen lässt, wenn er mehr energiepolitische und ökologische Konsequenz im Wohnbau einmahnt. Die es in mehreren Bundesländern für entbehrlich hält, die Beamten-Pensionsreform, von Kanzler Schüssel seinerzeit durchgesetzt, auch ihren Landesbeamten zuzumuten. Und bis heute kein kritisches Wort dagegen findet, dass die längst zugesagte Einführung der bedarfsorientierten Grundsicherung noch immer am Widerstand eines Bundeslandes hängt.
Wie lange noch können wir es uns leisten, diese fiskalpolitische Bewusstseinsspaltung hinzunehmen, als ginge es nicht um die Steuern ein und derselben Bürgerinnen und Bürger. Wie lange kann es die Bundesregierung hinnehmen, gegen eine permanente Schattenkonferenz von wahlkämpfenden Wellness-Hauptleuten anzutreten, die nicht wirklich verantworten müssen, was sie dem hehren Föderalismus und ihren Partikularinteressen zuliebe an Sonderkosten in Kauf nehmen?
„Verwaltungsreform ist nur ein Wort“ – so lautet wohl die Überschrift zu dem Loblied, dessen Strophen ich eigentlich nicht mehr singen will. Obwohl ich doch ein überzeugter Föderalist bin.
Jänner 2009