die furche - 69

Der Offenbarungseid rückt näher

 

Der Griechenland-Kompromiss der vergangenen Woche findet die Zustimmung der Anhänger völlig gegensätzlicher Lösungen des Problems. Die einen begrüßen die Beteiligung privater Gläubiger an der Lastenverteilung, die anderen freuen sich über den Sprung der EZB über den Rating-Schatten. Immerhin ist ja die Zentralbank bereit, griechische Anleihen trotz ihrer extrem negativen Einstufung durch die Rating-Agenturen anzukaufen, solange sie durch den Stabilisierungsfonds garantiert werden. Durchaus vernünftig auch die Zinsverbilligung und Streckung der Laufzeiten von 7 auf 15 Jahre bei den im Rahmen der Hilfspakete an die Problemländer weitergereichten Anleihen. Allerdings könnte die Harmonie von ebenso kurzer Dauer sein wie nach allen bisherigen Krisengipfeln.

 

Denn das, was die für das politische Konstrukt „Euro-Land“ Verantwortlichen einst versprochen haben, können sie angesichts der von der Finanzkrise ausgelösten Turbulenzen nicht mehr halten. Verschuldungskrisen von Euro-Mitgliedsstaaten sollen zwar gemeinsam gelöst werden – aber ohne direkte Budgethilfen. Immer größere Garantieschirme untermauern die Fiktion des Zusammenhalts, während zugleich die „no-bail-out-Klausel“ aus den Gründungsdokumenten des Euro beschworen wird.

 

Der Preis für diesen konzeptionellen Spagat ist eine Verunsicherung hinsichtlich hoch verschuldeter Euro-Länder. Schon kursieren in den Wirtschaftsmedien Tabellen, aus denen hervorgeht, wer in welcher Höhe an Euro-Länder geliehen hat, die noch vor wenigen Monaten zu den für erstklassig gehaltenen Schuldnern gehörten und heute bereits als Wackelkandidaten beschrieben werden. Dafür, dass sie dem impliziten Euroland-Versprechen der Politik vertraut haben, müssen sich deren Gläubiger nun als Spekulanten bezeichnen lassen. Die beobachtenden Analysten, besonders begabt im nachträglichen Besserwissen, sind rasch mit der Bezeichnung „toxisch“ für die ehemaligen Wert-Papiere zur Hand. Man hätte doch von den Banken mehr Vorsicht bei ihren Engagements erwarten können. Nun sei es nur gerecht, dass sie zur Kasse gebeten werden.

 

Mit Italien, dem drittgrößten Schuldnerland der Welt, ist hier eine neue Dimension erreicht. Dass für Griechenland die Beteiligung privater Gläubiger erzwungen wurde, wird die Bereitschaft, unseren südlichen Nachbarn Geld zu leihen, deutlich vermindern. Angesichts eines sehr hohen Refinanzierungsbedarfs in der zweiten Jahreshälfte kann sich daraus der nächste Gefahrenherd entwickeln.

 

Die Stunde des Offenbarungseids für oder gegen ein Euro-Gebiet, das dauerhaft über einen echten Finanzausgleich, einen europäischen Währungsfonds und Euro-Anleihen verbunden ist, rückt jedenfalls näher. Alles andere als eine Weiterentwicklung in diese Richtung würde nicht nur einen folgenschweren Vertrauensbruch gegenüber den Gläubigern von Euro-Staaten darstellen sondern auch den Abschied von jener ambitionierten europäischen Architektur, die der Schaffung des Euro zugrunde lag.

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