Wäre es nach mir gegangen: der Platz für den „Kopf der Woche“ vor vierzehn Tagen hätte Bob Dylan gehört. Seit Jahren wird er wegen seiner Textdichtungen für den Literatur-Nobelpreis gehandelt, er war eine der absoluten musikalischen Bezugsgrößen meiner Jugend und feierte vor kurzem einen Geburtstag, bis zu dem ich noch zehn Jahre Zeit habe. Seine trotzigen Texte gaben damals, in den Sechzigerjahren, unsere optimistisch-widerständige Stimmung wieder, sie waren die instrumentierte Neuerfindung des Rechtes auf eigene Gedanken.
Wohl von keinem anderen Singer-Songwriter sind so viele Lieder ins kollektive musikalische Gedächtnis eingegangen. Seit 1988 ist er auf einer „never ending tour“ unterwegs und erfindet sich derzeit wieder einmal neu. Sein „still going strong“ hat etwas Tröstliches für meine Generation, überschreiten wir doch mit dem Start in unsere zweiten Sechzigerjahre jene Zeiten-Schwelle, ab der man an dem gemessen wird, was man „noch immer“ tut und kann. Allein dafür hätte ihm eine Würdigung in der FURCHE gebührt.
Andererseits vermute ich, dass Heinz Nussbaumer mit Bob Dylan weniger anzufangen weiß als ich. Und sich wohl auch deshalb dafür entschied, mir – und nicht Bob Dylan – eine publizistische Geburtstagsüberraschung zu bereiten. Ich wusste bis zuletzt nichts davon und die Redaktion hielt dicht. Keine Chance also, ihm dieses Geschenk auszureden. Zweifellos hätte ich das versucht, schon um mir die Vermutung einiger mir weniger wohl Gesonnener zu ersparen, ich hätte meine Rolle als (Mit-)Herausgeber dazu benützt, mich als „Kopf der Woche“ in den Vordergrund zu spielen. Zumindest aber hätte ich das so liebevoll festrednerisch aufgehellte Bild meiner Person mit kräftigen Strichen korrigiert: wie in einer dieser Übermalungen von Arnulf Rainer.
Dann aber, als ich die neue FURCHE mit der fein ziselierten Geburtstags-Überraschung in der Hand hielt, entschloss ich mich dazu, mich darüber einfach zu freuen, ähnlich wie das bei einer gesprochenen Laudatio der Fall gewesen wäre. Ich tröstete mich damit, dass einem als Jubilar die schöne Sitte des „de mortuis nil nisi bene“ eben auch schon im „Leben vor dem Tod“ zum Vorteil gereichen kann. Und ich nahm mir vor, in dieser Kolumne schriftlich nachzuholen, was der über den grünen Klee Gelobte bei den wirklichen Geburtstagsfeiern tut: nämlich in Verbindung mit einem großen Dank an den Festredner in aller Demut festzustellen, dass man die Übertreibungen gerne gehört hat, ohne sich jedoch anzumaßen, sie für die Wirklichkeit zu halten.
Nur mit dem einleitenden Satz seines über mich verfassten Porträts hadere ich bis heute ein wenig – aber das soll Heinz Nussbaumer erst erfahren, wenn er diese Kolumne liest. Im Einleitungssatz beschreibt er mich nämlich als einen „Herren vom alten Schlag“. Das sitzt! Bob Dylan hätte so eine Kategorisierung wohl auch nicht akzeptiert. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mich bei meinem Laudator und Freund mit einer „Best of Bob Dylan“ – CD zu revanchieren. In „Forever young“ wird er dann hören, worum es mir geht.