die furche - 50

Nach 20 Jahren: Gründen zum Feiern

 

„Man muss nicht das machen, was die Mehrheit will. Man muss die Mehrheit überzeugen.“ Dieser Satz könnte formelhaft klingen Er stammt aber vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble. Am 20.Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung wurde er gemeinsam mit Lothar de Maiziere, dem letzten Regierungschef der „DDR“, in Berlin dafür geehrt, dass die beiden zu Freunden gewordenen Politiker bei den seinerzeitigen Verhandlungen immer dann Lösungen fanden, wenn die Direktgespräche de Maizieres mit Kanzler Kohl ins Stocken gekommen waren.

 

Am Abend des 3.Oktober – ich durfte ihn als Gast eines jener Unternehmen miterleben, die den jährlichen Quadriga-Preis fördern – wurde im wieder aufgebauten Konzerthaus am Gendarmenmarkt der unaufgeregte Stolz spürbar, mit dem unsere deutschen Nachbarn auf das Gelingen ihres wichtigsten politischen Projektes zurückschauen. Schon die Auswahl der Preisträger war selbstbewusst und originell: ausgerechnet in diesem Jahr ehrte man Andreas Papandreou, den griechischen Ministerpräsidenten, für die „Kraft der Wahrhaftigkeit“, mit der er die griechische Budget-Plage bekämpft. Josef Ackermann, umstrittener Chef der Deutschen Bank, war sein – letztlich souveräner – Laudator.

 

Ungewöhnlich auch die Idee, aus Anlass der Wiedervereinigung die Deutsche Bundeswehr zu ehren. Verteidigungsminister zu Guttenberg – jeder seiner Sätze unterstreicht, dass er noch Größeres vor sich hat – bedankte sich dafür in einer knappen, klugen Rede. Er sucht gerade auf deutlich höherem Niveau, als wir es hierzulande erleben, Zustimmung für sein Konzept eines Berufsheeres. Ausgerechnet Sigmar Gabriel, den Parteiobmann der deutschen Sozialdemokraten, hatte man auf ihn als Laudator angesetzt. Aber auch das ging gut. Als besondere Friedensleistung erwähnte er die Integration der seinerzeitigen „Nationalen Volksarmee“ in die Bundeswehr.

 

Am Ende des feierlichen Abends gab deren Big Band ein Ständchen im Freien und intonierte „In the Mood“. Mit Glenn Miller hatten die amerikanischen Befreiungstruppen damals die bleiernen Nachwehen des schrecklichen Krieges vertrieben. Mein Vater lernte diese seine Lieblingsmelodie als junger Kriegsheimkehrer in dem von den Amerikanern besetzten Sägewerk unserer Familie im Salzburger Pongau kennen. Ich wünschte mir, er hätte diesen Abend in Berlin erleben können.

 

Später erinnerte ich mich an eine Geschichte in Dresden unmittelbar nach dem Mauerfall. Auch damals war die versöhnliche Wirkung von Musik spürbar geworden. Wir hatten tagsüber mit dem örtlichen Geschäftsführer eines „Wessi“-Bauunternehmens verhandelt. Als ehemaliger Stadtplaner war er noch eng der Plattenbau-Ideologie verhaftet, auch wenn sein neuer Dienstwagen schon ein Mercedes war. Am Abend in der Dresdner Oper gelang dann in der Pause der „Fledermaus“ von Johann Strauss bei einem Glas Sekt die Versöhnung mit den neuen Zeiten. „Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu ändern ist“: dieser Text aus unserer heimlichen Bundeshymne schien auch ihn zu überzeugen.

 

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