Vor einigen Jahren gab es in Wien einen ersten Anlauf zu einem ganz besonderen Filmfestival, dessen weit gestecktes Thema unser Wirtschaften sein sollte, die Ökonomie, das ganze beschleunigte – oder aus seiner Bahn geschleuderte – Leben in globaler Arbeitsteilung.
Die Spannbreite der Filme reichte von „Wall Street“ mit Michael Douglas und „Der Teufel trägt Prada“ mit Meryl Streep bis zu den großen Dokumentarfilmen Hubert Saupers (Darwin´s Nightmare) und Michael Glawoggers (Working Men´s Death). Erwin Wagenhofers „Let´s make money“ war damals noch nicht fertig gedreht, ebensowenig „Up in the air“, die eigentlich traurige Geschichte des Flugmeilen-Sammlers George Clooney.
Als einer der Initiatoren dieses kleinen, seither einer Neuauflage harrenden Festivals konnte ich auch inhaltliche Anregungen beisteuern. Zum Erstaunen meiner cineastischen Gesprächspartner fand ich, dass auch „Alexis Sorbas“ unbedingt gezeigt werden müsse, enthielte diese Verfilmung des Romans von Mikos Katzantakis doch neben all den eindrücklichen Szenen aus dem so archaischen kretischen Leben auch einen Handlungsstrang, der sich in metaphorischer Weise um wirtschaftliche Kühnheit und deren pompöses Scheitern dreht.
Zur Erinnerung: der junge Engländer (Alan Bates) ist mit kaufmännischen Ambitionen nach Kreta gekommen. Er will ein Bergbauvorkommen erschließen, Sorbas hilft ihm dabei. Eine der letzten Szenen handelt von dem Scheitern des Bemühens, eine Materialseilbahn einzurichten. Mit Getöse stürzt das Konstrukt aus hölzernen Stützen ein, die spekulative Investition ist verloren. Als jedoch in der Schlussszene die seither alterslose Sirtaki-Melodie von Mikis Theodorakis ertönt, löst sich die wirtschaftliche Katastrophe am Meeresufer in den Tanz des Lebens auf.
Daran musste ich denken, als ich eine Woche urlaubend am Meer verbrachte, nur wenige Kilometer entfernt von der nach dem unvergesslichen Sorbas-Darsteller Anthony Quinn benannten Bucht auf Rhodos, dem seinerzeitigen Drehort. Es waren meine ersten richtigen „Ferien“ seit langer Zeit, wenn man mit diesem schönen Begriff die Freiheit verbindet, viel ungeplante Zeit mit dem Lesen von Büchern zu verbringen, für die während des Jahres einfach kein Platz mehr war.
Wann sonst hätte ich zu „Pnin“ gegriffen, jenem Roman von Vladimir Nabokov, dessen erste Seiten mich wiederholt zu so herzlichem Lachen mitten am Strand brachten, dass ich noch am selben Tag das gesamte Buch zu Ende las. Pnin ist ein zerstreuter Professor, russischer Emigrant wie sein Autor. „Während der ihm 1925 mit einigem Pomp verliehene Titel in Volkswirtschaft um die Mitte des Jahrhunderts zu einem Doktorgrad in Obsoletheit geworden war, war Pnin als Russischlehrer dennoch keine völlige Fehlbesetzung“ heißt es da gleich zu Beginn über den sympathischen Sonderling.
Und irgendwie – es waren ja Ferien – bauten meine Gedanken eine Brücke von dieser Pnin´schen Obsoletheit zur aktuellen Finanzmarktkrise und dem gescheiterten Seilbahnprojekt in meinem Lieblingsfilm.