„Es gibt einen Preis dafür, das Bankensystem sicherer und stabiler zu machen: und dieser Preis wird unvermeidbar von der Realwirtschaft getragen“. Dieser Satz stammt von einem gewissen Peter Sands, Direktor jenes Weltbankenverbandes, der kürzlich in Wien tagte. Seinen Namen müssen wir uns nicht merken, der Satz als solcher aber ist merk-würdig.
Als hätten wir nicht schon genug an den Schäden zu tragen, die ein mit schweren Konstruktionsmängeln ausgestattetes Finanzsystem angerichtet hat, warnen uns also die Spitzen der großen Geldhäuser davor, ihr unkontrolliertes Wirken in weniger gefährliche Bahnen zu lenken. Die geforderten neuen Eigenkapitalvorschriften („Basel III“) würden den Banken einen so hohen Kapitalbedarf auferlegen, dass man in Hinkunft weniger Kredite vergeben und in Summe 9,7 Millionen Arbeitsplätze gefährden würde.
Das Argument ist ungefähr so zwingend wie das eines Öl-Managers, der nach Auftreten des größten ausdenkbaren Unfalls auf einer Ölplattform vor strengeren Sicherheitsstandards warnt, weil sie letztlich „von der Realwirtschaft“ (uns allen) getragen werden müssten.
Wahr ist: das Welt-Bankensystem hat auf Grundlage einer empirisch leider gescheiterten Kapitalmarkttheorie in einer Kombination von Fehl-Regulierung, Kapitalmarktgläubigkeit und Maßlosigkeit in der Finanzmarktkrise soviel (Schein-)Geld vernichtet und Bankkapital verbraucht, dass eine sofortige Reparatur des Systems alle überfordern würde. Wir brauchen daher Zeit und dürfen die neuen Anforderungen nicht abrupt stellen. Das ändert aber nichts an der Notwendigkeit, die neuen Spielregeln endlich verbindlich festzulegen.
Die Lizenzen für spekulative Geschäftsfelder müssen in Zukunft sehr selektiv vergeben werden, die Lizenzgebühren müssen hoch sein und sie müssen von den Finanzhäusern selbst getragen werden. Nur mehr jene Teile des Bankensystems, die direkten Nutzen für Unternehmen und Konsumenten stiften, dürfen mit staatlicher Unterstützung rechnen, während die potentiell systemgefährdenden Geschäftsfelder abzutrennen sind.
Überraschenderweise nimmt sich gerade der neue britische Schatzkanzler George Osborne dieses Themas mit unkonventioneller Offenheit an. Die konservativ-liberale Koalition will innerhalb eines Jahres geprüft haben, wie sich große Geldhäuser in eine (spekulative) Investment- und eine („normale“) Geschäftsbank aufspalten lassen. Wirtschaftsminister Vince Cable lässt sich mit dem Satz zitieren: „Die Reise geht klar in Richtung einer Trennung von Privatkundengeschäft und Kasino-Banken“.
Josef Schumpeter antwortete einst den Kritikern stringenter Rahmenbedingungen für den Markt, man käme schließlich auch mit einem Auto, das über ein gutes Bremssystem verfügt, schneller ans Ziel, als mit einem Auto ohne Bremsen. Es ist meine zutiefst wirtschaftliberale Überzeugung, dass auch ein Finanzsystem mit neuen (regulatorischen) Sicherheitssystemen besser vorankommt und mehr Nutzen für alle stiftet als jener ungebremste Finanzliberalismus, mit dem wir aus der Kurve geflogen sind.