die furche - 4

Positions-Sensoren defekt - was tun?

 

„Ihr Positions-Sensor ist defekt“. Was wie die gewähltere Variante einer irgendwie doch beleidigenden Feststellung klingt, war in Wirklichkeit der freundlich-beruhigende Hinweis meiner Mitarbeiterin auf einen Schaden in der Elektronik meines Autos. Die Werkstätte hatte soeben angerufen und den Grund für das Aufblinken der Warnleuchte benannt. Bis zum nächsten Nachmittag wäre alles wieder behoben.

Der Sprachcode von technischen Geräten enthält ja nicht selten versteckte Anstöße zu weiterführenden Gedanken. So etwa wenn die Menüleiste des Navigators unter den Suchfeldern „Letzte Ziele“ anbietet. Das lässt die Gedanken weit über alle in der elektronischen Landkarte gespeicherten Straßennamen und Wegkreuzungen hinausschweifen.

So ähnlich ging es mir nun mit dem Auslöser der harmlosen Autoreparatur. Sollte der Positions-Sensor etwa nicht nur bei mir defekt sein, sondern bei einigen von uns, möglicherweise sogar in weiten Teilen der ehemaligen Finanzmarkt-Elite, Wissenschaft und Medien inklusive? Muss man bei einer so krisenhaften Dysfunktionalität der zentralen Systemelemente nicht sogar von einem kollektiven Defekt aller Positions-Sensoren sprechen?

Was tun? Da es keine Reparaturwerkstätte gibt, von der wir darauf eine Antwort erwarten können, sind erste einfache Betriebsanweisungen von uns selbst zu erarbeiten:

  • Alle Dienstleistungen von Banken haben vorrangig das bessere Funktionieren der realen Wirtschaft zu unterstützen und zu fördern.

  • Die Kapitalmärkte ergänzen das Bankensystem. Sie haben ebenfalls in erster Linie der Aufbringung von Finanzierungsmitteln für Unternehmen zu dienen. Gleichzeitig geben sie den Anlegern die Chance und das Risiko, die reale Entwicklung von Unternehmen  zu begleiten.

  • Alle Marktteilnehmer müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Renditen in der Finanzwirtschaft auf lange Frist jene der Realwirtschaft nicht übersteigen können. Alle Finanzinnovationen sind im Rahmen eines Produkt-Zulassungsverfahrens daraufhin zu überprüfen, ob sie durch spekulative Anreize diese Tatsache zu ignorieren versuchen.

  • Alle Finanztransaktionen sind einer niedrigen, aber aufgrund ihrer sehr hohen Anzahl durchaus ergiebigen Umsatzbesteuerung zu unterwerfen.

  • Die Bilanzierungssysteme sind wieder an Gläubigerinteressen und nicht an kurzfristigen Anleger- und Managementinteressen auszurichten.

  • Für alle Finanztransaktionen – nicht nur jene der Banken – ist Transparenz herzustellen, um spekulative Entgleisungen der Geldwirtschaft rechtzeitig zu verhindern. 

  • Die Entlohnungssysteme der Finanzmanager sind nicht mehr an Marktwerten und Kurzfristigkeit, sondern an nachhaltigen Erfolgen zu orientieren.

Wir haben durch einseitige Ausrichtung unserer Positions-Sensoren an den Gesetzen der Kapitalmärkte die Frage nach den „Letzten Zielen“ des Wirtschaftens jahrelang verdrängt. Erst die akute Finanzmarktkrise zwingt uns nun wieder zur selbst verantworteten Neuorientierung. 

22.November 2008

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