die furche - 26

Antworten auf einfache Fragen

 

Es ist ein königliches Privileg, die ganz einfachen Fragen zu stellen. Queen Elizabeth beispielsweise brachte anlässlich der Eröffnung eines Universitätsbaus im Herbst 2008 die versammelte Prominenz der renommiertesten Ökonomen der London School of Economics mit der einfachen Frage in Verlegenheit: „Why did no one see the financial crisis coming?“.

 

Ein erster, entwaffnend ehrlicher Antwortversuch der Gelehrten lautete so: „Es verließen sich immer alle auf die anderen und dachten, sie machten es im Grunde richtig.“ Nach einer mehr als halbjährigen Schrecksekunde ermannten sie sich schließlich und schrieben ihrer Königin unter der Federführung des Forschungsdirektors einen offenen Brief.

 

Darin bekannten sie, dass all jene Finanz-Zauberer („financial wizards“), die von der Unfehlbarkeit ihrer Methoden des Risikomanagements so überzeugt waren, einer unheilvollen Kombination von Wunschdenken und Hybris erlegen waren. Die Unfähigkeit, Zeitpunkt und Ausmaß der Krise rechtzeitig vorherzusehen, sei nichts anderes als ein kollektives Versagen vieler intelligenter Menschen im Bezug auf das Erkennen grundlegender systemischer Risiken (the risks of the system as a whole).

 

Tatsächlich hatte nur eine verschwindend kleine Minderheit davor gewarnt, dass sich die über Jahre aufgestaute spekulative Buchgeldvermehrung eines Tages in einem Zusammenbruch entladen würde. Die ganz große Zahl der „Main-Stream“- Ökonomen wähnte sich bis zuletzt auch in turbulenten Zeiten sicher und war darin eines Sinnes mit den Analysten der Finanzbranche.

 

Warum auch sollte der sich selbst überlassene Markt mit einem Mal nicht mehr auf die bewährten Methoden konjunktureller Feinsteuerung reagieren. Und warum hätte man sich nicht auf die Notenbanken mit ihrem wirkungsmächtigen Instrumentarium der Zins- und Geldpolitik verlassen sollen. Und war nicht das Bankensystem durch immer strengere Risiko-Klassifizierungen entlang von Rating-Stufen so transparent wie noch nie zuvor?

 

Heute wissen wir mehr über die fatale Ursachenkette, die zur Katastrophe geführt hat. Von kapitalmarktorientierten Bilanzierungsmethoden über Regulierungen, die das Eigenkapital aushöhlten und fehlgeleitete Anreizsysteme für Bankmanager bis zu schweren Kontrollversäumnissen bei Finanzgeschäften außerhalb des Banksystems. Gegen ein derart multiples Systemversagen hilft nur eine Reform, die an die Fundamente geht.

 

Dem Wissenschaftstheoretiker Thomas S. Kuhn verdanken wir den Begriff des „Paradigmenwechsels“. Er verwendet ihn für wissenschaftlichen Revolutionen wie eben jene, vor der nun die Nationalökonomie steht. Der Wirtschafts-Nobelpreis für Elinor Ostrom kann als ein erster Schritt in diese Richtung gesehen werden. Ihre wissenschaftlichen Arbeiten über Soziale Güter und die Ökonomie des Gemeinschaftseigentums wären bisher bestenfalls durch einen Alternativ-Nobelpreis gewürdigt worden.

 

Das lässt hoffen, dass es nicht mehr allzu lange dauert, bis Ökonomen plausible Antworten auf einfache Fragen zur Finanzmarktkrise geben können.

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