Als die Sozialpartnerschaft in ihrer Blüte stand, wurde sie in den Siebziger- und Achtzigerjahren oft als Nebenregierung bezeichnet. Verfassungsrechtler und Politikwissenschaftler zerbrachen sich besorgt die Köpfe über diese Besonderheit unserer damaligen Realverfassung. Sie konnten allerdings noch nicht wissen, welche Blüten dereinst der Föderalismus treiben würde.
Denn selbst am Höhepunkt sozialpartnerschaftlicher Machtentfaltung war der Einfluss der vier Präsidenten wesentlich geringer als heute jener der G9. Mit G9 meine ich nicht etwa die Versammlung der Oberhäupter der mächtigsten Wirtschaftsnationen, sondern die Oberhäupter jener 9 Bundesländer, in die Österreich zerfällt, oder besser: an denen jede größere (Verwaltungs-)Reformbemühung zerbricht.
Konnte der Föderalismus bei damals noch sechs VP-geführten Bundesländern während der SP-Alleinregierung als eine Art von ausgleichender Gegenmacht einer nicht in der Regierung vertretenen, staatstragenden Partei angesehen werden, führt das heutige Bundesländer-Macht-Trapez von 4:4:1 zu einer allparteilichen Bündnispolitik der G9 gegen den Bund.
Während der Bund bekanntlich im wesentlichen für die unangenehmen Seiten der Politik – nämlich für das Eintreiben von Steuern und das Einmahnen von Budgetdisziplin – zuständig ist, spezialisieren sich die Länder meist auf das Verteilen der eingetriebenen und ihnen im Finanzausgleich zugewiesenen Gelder. Sie dürfen damit rechnen, dass die Österreicher als Bürger/innen eines Bundeslandes Ausgaben billigen, deren Eintreibung durch Steuern sie als Bundesbürger/innen ablehnen würden.
Am Beispiel der Beamtenpensionen: die zu Beginn des Jahrzehnts als Sozialabbau bekämpfte Pensionsreform – wenn auch durch Hackler-Regelungen längst bis zur Wirkungslosigkeit aufgeweicht – wurde damals von mehreren Bundesländern schlicht nicht nachvollzogen. Einige ließen sich sogar zusätzliche dienstrechtliche Draufgaben einfallen, die mittlerweile den meisten Landesbeamten einen Wechsel in den Bundesdienst unattraktiv machen.
Auch die überfällige Reform der Schulverwaltung mit ihren kostspieligen Mehrgleisigkeiten, von Ministerin Claudia Schmied im Sommer als Etappenziel verkündet, wurde von Vertretern der G9 prompt schon im Vorfeld konkreter Sachdiskussionen aus Machtvollkommenheit abgelehnt. Natürlich auch von der Beamtengewerkschaft. Nur die beiden Seniorenvertreter haben dazu geschwiegen, weil sie genug damit zu tun hatten, den Pensionsbeirat daran zu hindern, sich bei der Bemessung der Pensionserhöhung an bisherige Spielregeln zu halten.
Rechnet man zu den G9 – vulgo Landeshauptleutekonferenz – also noch zwei Seniorenvertreter und den obersten Beamten Neugebauer hinzu, so ergibt sich eine in keiner Verfassung aufscheinende Runde der G12, gegen die sich Regierung wie Sozialpartner-Nebenregierung als machtlos erweisen. Und daran sind weder Brüssel noch die Globalisierung schuld. Diese unsere Realverfassung ist wirklich original hausgemacht – und im wahrsten Sinn des Wortes unbezahlbar.