die furche - 237

Vom Kreuz mit dem Kreuz

 

In diesen vorösterlichen Tagen fiel mir eine Anekdote ein, von der vor einigen Jahren André Heller im Rahmen einer abendlichen Diskussionsrunde erzählte. Schon als junger Mensch im Jesuitengymnasium hatte er mit dem Abbild des Gekreuzigten als dem zentralen Symbol des Christentums gehadert. Deshalb soll er einmal anlässlich einer Unterredung an Kardinal König die Frage gestellt haben, ob es nicht ein weit hoffnungsfroheres Zeichen wäre, den auferstandenen Menschensohn zu zeigen. Die so humorvolle wie weise Antwort des Kardinals: Das ist eine schöne Idee von Ihnen – aber unser „Logo“ ist über die Jahrhunderte schon so gut eingeführt, dass wir es nun nicht mehr verändern wollen!

Auch ging mir die Nachricht von jenen neuen Hörsälen der Theologischen Fakultät der Universität Wien durch den Kopf, in denen im Unterschied zu den früher genützten Räumen keine Kruzifixe mehr angebracht werden sollen. Aus bautechnischen Gründen war es nämlich notwendig geworden, die drei angestammten, seit Eröffnung des Neubaus an der Ringstraße 1884 verwendeten Säle zu verlassen und gegen solche zu tauschen, die nun auch von anderen Fakultäten mitgenützt werden. Dort jedoch, so die Entscheidung der Universität nach Einlangen einschlägiger Beschwerden, dürften Nicht-Gläubige durch das christliche Symbol nicht irritiert werden. Daher die Kreuz-Abnahme.

Christliche Symbole sind auch an öffentlichen Schulen weitgehend Vergangenheit oder bestenfalls geduldetes Relikt. Augenfällig wurde mir das, als ich anlässlich der 400-Jahr-Feier seiner Gründung im vergangenen Herbst „mein“ Akademisches Gymnasium in Salzburg besuchte. Ein ehemaliger Mitschüler, der dort über viele Jahre als Professor für Bildnerische Erziehung gewirkt hatte, führte uns durch das von ihm liebevoll eingerichtete Schulmuseum. Dort findet sich neben sorgfältig entstaubten Versatzstücken aus dem Physiksaal, historischen Lehrtafeln und alten Schulbänken oben in einer der Ecken auch ein letztes Kruzifix.

Selbst wenn die flächendeckende Präsenz des Kreuz-Zeichens in öffentlichen Räumen schlicht nicht mehr zeitgemäß wäre: es stimmt doch nachdenklich, wie apodiktisch die Diskussion darüber mitunter geführt wird. Denn der Streit um die Zumutung einer Begegnung mit dem Kreuz kann jederzeit in Intoleranz gegenüber Werthaltungen kippen, die aus dem Glauben begründet werden. Aus areligiöser Correctness entstünden im wahrsten Sinn des Wortes wert-freie Wirklichkeiten ohne jeden Rückhalt in Glaubens-Gewissheiten.

Ich bin jedoch davon überzeugt, dass ein großer Teil unserer Mit-Menschlichkeit im Alltag und all jener caritativen Kraftanstrengungen, die seit der Flüchtlingskrise in Angriff genommen wurden, in einem engen inneren Zusammenhang mit dem christlich-humanistischen Menschenbild steht. Dieses ist – mit oder ohne Kreuz – längst zum überkonfessionellen Imperativ unseres Handelns geworden. Schon deshalb wäre es höchst riskant, auf die wiederkehrende Erneuerung der Werte-Reservoirs eines lebendigen Glaubens zu verzichten.

29. März 2018

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