Neben den musikalischen und theatralischen Sommerspielen entstehen im österreichischen Sommer auch immer mehr Symposien als Orte der intellektuellen Regeneration. Bei den „Carinthischen Dialogen“ auf Schloss Bach ging es diesmal um „Die Grenzen der Freiheit“. Mein Part war es, diese Grenzen für die Wirtschaft auszuloten.
Ausgangspunkt der Überlegungen war die weichenstellende Situation in den post-kommunistischen Ländern vor zwanzig Jahren. Die Mehrheit der Reformstaaten orientierte sich damals am US-amerikanischen Vorbild, während die sozial-marktwirtschaftlichen Modelle ohne Nachahmer blieben.
Ich erinnerte mich an meinen gescheiterten Versuch, 1991 Hörern an der Universität von Bratislava das Modell der „Sozialen Marktwirtschaft“ erklären zu wollen. Schon terminologisch befand ich mich damals gegenüber meinen Zuhörern auf verlorenem Posten, erinnerte sie doch die Rede von einer (sehr wörtlich übersetzt:) „social market economy“ allzu stark an jenen Realsozialismus, dem sie eben erst entronnen waren
Aus dem Aufbruch in die „Marktwirtschaft ohne Vorzeichen“, wie Vaclav Klaus sie nannte, wurde meist eine vordergründig entpolitisierte Ökonomie, verbunden mit einer zunehmenden Ökonomisierung der Politik.
Auf Dauer kann allerdings das Mantra „Der Markt hat immer Recht“ politische Programme nicht ersetzen. Denn außer Kontrolle geratene Marktkräfte gefährden ihre eigene Existenzgrundlage, wenn sie nicht in ein Werte-Gerüst eingebettet sind. Das wäre dann ein „Weg zur Knechtschaft“ (F.A.Hayek) ganz anderer, unerwarteter Ausrichtung.
Der russische Schriftsteller Viktor Jerofejew beschrieb kürzlich die Versäumnisse der ersten, wilden Jahre der Systemkonversion. Die Unterstützung der liberalen Reformer seitens des Westens sei damals zu gering gewesen, viel stärker habe man sich auf die neuen Oligarchen konzentriert. Nicht zuletzt deshalb sei Russland nicht den europäischen Weg gegangen. Und dann sagte er einen Satz, der mich sehr bewegt hat: „Der Hochmut der Liberalen hat die Demokratie diskreditiert“.
Zwei Verständnisweisen von Liberalismus prallen hier aufeinander:
Hier der Liberalismus mündiger Bürger, die sich als freie Menschen auch ins Politische einbringen, der Liberalismus der so genannten Zivilgesellschaft. Auf der anderen Seite der funktionale Liberalismus der vollkommenen wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit – im Extrem bis hin zur Regellosigkeit.
Oder, anders formuliert: Hier ein Unternehmer-Liberalismus der sozial gebundenen, verantworteten Marktwirtschaft, dort ein an der Finanzwirtschaft orientierter, sozial ungebundener Aneignungs-Liberalismus mit Spielregeln, die eher das Nehmertum begünstigen als das Unternehmertum zu fördern.
Der gangbare Weg kann wohl nur in einer „verantwortlichen Marktwirtschaft“ bestehen, wie sie auch in der jüngsten Sozialenzyklika gefordert wird. Eine Marktwirtschaft „mit Vorzeichen“ also. Und dieses Vorzeichen besagt nichts anderes als: respice finem – achte auf die Folgen Deines Tuns.