Wer sich ständig in der Gefahr sieht, in Fallen zu geraten, dessen Ängste können leicht paranoide Züge annehmen. Hinter jeder Freundlichkeit sieht er ein mögliches Übervorteiltwerden, bis schließlich aus der Fallen-Phobie eine undifferenzierte, ängstlich-aggressive Grundhaltung wird. Weil in der Krise die Zahl jener zunimmt, die sich eingeengt und machtlos fühlen, entsteht daraus eine wachsende Zielgruppe für politische Gruppierungen, die auf „negative campaigning“ setzen.
An sie richtet konsequenterweise auch Hans Peter Martin sein Buch über die „Europafalle“. Der vom Aufklärer der erfolgreichen „Globalisierungsfalle“ zum verbitterten Aufdecker mutierte Polit-Narziss liefert zahllose Begründungen, warum wir der Europäischen Union nicht froh werden dürfen. Denn schließlich richte sich beinahe alles, was Brüssel tut, „gegen Demokratie und Wohlstand“.
Noch unverhohlener instrumentalisiert die FPÖ die akuten Krisen- und Sicherheitsängste der Bürger. Sie fordert gar dazu auf, am „Tag der Abrechnung“ (gemeint ist der Wahltag!) „gegen die EU und die Finanz-Mafia“ zu stimmen. Ärgerlich genug, dass meine (Banker-)Zunft zu so diffamierender Plakat-Präsenz kommt. Viel mehr aber deprimiert mich der versumpfte Zugang solcher Kampagnen zur europäischen Sache.
Dass Europa so unter seinem Wert geschlagen wird, hängt natürlich auch mit konkreten Missständen zusammen. So bleibt der Zwangstausch vertrauter Glühbirnen gegen neongrelle Energiesparlampen als eines der wenigen konkreten Ergebnisse des ersten Halbjahres in Erinnerung. Dazu kommt die schikanöse Unprofessionalität mancher EU-Behörde, mit der etwa die Genehmigung des AUA-Kaufes durch die Lufthansa fahrlässig verzögert wird.
Gleichzeitig wurde die Schwäche der tschechischen Präsidentschaft mit ihrem aus der Leitung des Statistikamtes an die Spitze der EU berufenen Interimsvorsitzenden Jan Fischer zum Symptom einer inhaltlichen und personellen Erschöpfung der Union. Dabei brächte gerade der Reform-Vertrag von Lissabon mit der Wahl eines auf zweieinhalb Jahre verantwortlichen Präsidenten die Chance, künftig das gefährliche Roulette wechselnder Vorsitzführungen zu vermeiden.
Statt jedoch dafür zu werben oder auf die positive Funktion des Euro in der Krise hinzuweisen, ergehen sich die Parteien beinahe flächendeckend in rein innenpolitisch motivierten Polemiken. Nicht einmal zum längst überfälligen Rederecht der Europaabgeordneten im Nationalrat wollten sie sich durchringen. Neben vordergründigen Personalauseinandersetzungen um Spitzenkanditat/innen und einem opportunistischen Wettbewerb um demonstrativen Abstand zur europäischen Idee, bleibt bisher kein Platz für überzeugende inhaltliche Angebote.
Die europäischen Wahlen sind aber keine Nebensache. Und das vielgeschmähte EU-Parlament agiert in vielen Fragen bereits mündiger als unser eigener Nationalrat. Nützen wir daher die Tage vor den Wahlen, um die Angst- und Hassparolen der Fallen-Steller mit positiven, realistischen Argumenten für ein gestärktes Europa zu entkräften.