die furche - 13

Denn sie wussten nicht, was sie tun

 

Wenn etwas so gründlich schief läuft wie das in den vergangenen Jahren mit Eigenlob üppig wuchernde Finanzsystem, dürfen sich dessen Protagonisten über massive Kritik nicht wundern. Wer jahrelang höhere Renditen versprach als die von ihrer Krise nun doppelt betroffene Realwirtschaft, dem will man heute kaum glauben, das alles sei nicht vorhersehbar gewesen.

 

Nun ja, es gab oberflächliche Maximierer, unersättliche Renditenjäger, grenzlegale Bilanzakrobaten und, auch das, skrupellose Betrüger. Aber die Summe ihrer schlechten Eigenschaften würde multipliziert mit ihrer Gesamtzahl nicht ausreichen, um das Finanzmarktdesaster zu erklären. Denn die ganz große Mehrheit der Finanzprofis, Kommunikations-Spezialisten, Rechtsexperten, Bilanzprüfer und aller sonstigen Mit- und Zuarbeiter der Banken hat sich ganz einfach darum bemüht, einen anständigen Job zu machen. 

 

Gelernt hatten sie von Professoren, die an kapitalmarktorientierte Bilanzen und Regulierungen glaubten, nach Theorien von bestechender, nobelpreis-gewürdigter Eleganz, unter dem Applaus von Medien, mit dem Segen der Wirtschaftsforschungsinstitute, unter den Auspizien der Aufsichtsbehörden und Notenbanken, im Glanz selten verhohlener Bewunderung durch Politik und Öffentlichkeit.

 

Schließlich hatte es über alle die vergangenen Jahre geheißen: „Der Markt hat immer Recht“. Gemeint war jedoch: wir Marktfundamentalisten haben immer Recht. Auf liberalisierten Finanzmärkten habe immer alles seinen Preis – und deshalb sei immer der richtigen Augenblickswert ermittelbar. Durch die Turbulenzen des größten ausdenkbaren Finanzmarkt-Unfalls finden sich die Apologeten der reinen Lehre sogar bestätigt. Schon wieder habe der Markt Recht, meinen sie – eben weil er die Bildung von spekulativen Blasen mit Preisverfall und Wertvernichtung bestraft. Das ist ja das Schöne an Tautologien: sie erklären einfach alles!

 

Es ist jedoch gefährlich, sich in einer an Marktreligiösität grenzenden Ergebenheit dem strafenden Gott der Finanzmärkte zu unterwerfen. Denn die Irrationalität des marktfundamentalen Ansatzes droht bereits umzuschlagen in die – sozialpopulistisch attraktive – Suche nach Schuldigen. Aber längst nicht alles was sträflich ist, ist auch strafbar. Und vieles von dem, was uns mit dem überlegenen Wissen von heute sträflich erscheint, war bis zur Elementarkatastrophe der Lehman-Pleite am 15.September 2008 unauffällig und branchenüblich.

 

Mit der in der Geschichte schon unsäglich oft gescheiterten Forderung nach dem neuen, gegen Anfechtungen immunen Menschen werden wir die Krise jedenfalls nicht lösen. Das Erklärungsmusters „Schuld und Sühne“ ist dafür ungeeignet. Viel entscheidender ist es, endlich grundsätzliche Systemkorrekturen in Angriff zu nehmen – von den Bilanzierungsregeln bis zur Runderneuerung der Regulierung und politisch gesetzten Rahmenbedingungen für eine verantwortete Finanzwirtschaft. Mit dem Wissensstand von heute darf es nicht bei einer Symptomkur bleiben. Das wäre wirklich sträflich.

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