Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt. Die Stimmungsschwankungen auf den Aktien- und Währungsmärkten folgen in immer kürzeren Abständen aufeinander. Noch im Frühsommer ging die Sorge um, der Euro würde deutlich unter 1,20 gegenüber dem US-Dollar fallen. Die Rede war von einem baldigen Zerfall der europäischen Einheitswährung. Heute, fünf Monate nach dem vermeintlichen Euro-Verfall, machen wir uns plötzlich die umgekehrte Sorge: der Euro könnte bei einem Kurs von über 1,40 zu stark werden und unsere Wettbewerbsfähigkeit gefährden.
Die von schweren Arbeitsmarkt-, Budget- und Handelsbilanzsorgen geplagten Amerikaner gießen Öl ins Feuer – vielmehr: Geld in die Märkte – und kurbeln damit die Spekulation auf den Finanzmärkten weiter an. In der Realwirtschaft selbst werden die von Notenbankchef Bernanke zugesagten 600 Mrd US-Dollar nämlich kaum benötigt, ist doch der Bargeld-Vorrat der Unternehmen so hoch wie schon seit Jahren nicht.
Kein Wunder, dass der sonst so bedachtsame deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble die US-Geldschwemme trocken so kommentiert: „Bei allem Respekt, mein Eindruck ist, die Vereinigten Staaten von Amerika sind ratlos“. In diesen Worten mag auch Genugtuung darüber mitschwingen, dass zur Abwechslung einmal Deutschland, nachdem es vor einem halben Jahr noch von US-Finanzminister Geithner wegen seiner Stabilitätspolitik gescholten worden war, Rat-Schläge austeilen kann. Vor allem aber drückt Schäuble die Sorge vor irrationalen Entscheidungen der US-Finanzpolitiker aus, die uns in unangenehme währungspolitische Konfliktlagen führen könnten.
Mit der geldpolitischen Großzügigkeit Bernankes fließt frische Liquidität auf die Mühlen der Investmentbanker. Sie bekommen noch mehr Jetons an die Hand, um auf den Casino-Tischen der unregulierten Welt-Finanzmärkte wieder ungehemmt Spekulation betreiben zu können. Prompt steigen die Kurse an den Aktien- und Derivatebörsen, an denen etwa mit Rohstoffen gehandelt wird. Die daraus entstehenden Scheingewinne ermöglichen den Banken neuerliche Bilanzexpansion. Es ist der gleiche Mechanismus unkontrollierter Geldschöpfung, aus dem die heftigste Finanzkrise seit Jahrzehnten entstanden war.
Nachgewiesenermaßen hat diese Krise alle (Schein-)Werte zerstört, die in den Jahren seit 2000 aufgebaut worden waren. Denn offensichtlich gab es in den Jahren davor aus dem Finanzsystem selbst keine reelle Wertschöpfung, sondern lediglich eine durch spekulative Auftriebskräfte herbeigeführte Serie von Augenblickserfolgen. Diese verdankten sich vor allem der Ausweitung der Verschuldungsspielräume der Banken und einer extremen Expansion neuen, durch Kredite geschaffenen Buchgeldes.
Wertschöpfung, die den Namen verdient, kann jedoch nachhaltig nur in einer Finanzwirtschaft entstehen, die der Realwirtschaft dient. Vor allem deshalb muss uns die Sorglosigkeit der Notenbanken gegenüber dem Wiedererstarken der spekulationsgetriebenen Geschäftsfelder Sorgen machen.