DIe Furche - 347

Manch gutes Ding braucht zu viel Weile

Rund um all die rein spekulativen Kryptowährungen herrscht ein riskanter geldpolitischer Romantizismus

Gut Ding braucht Weile, heißt es so schön. Schlecht allerdings, wenn die Weile sich so in die Länge zieht, dass aus dem guten Ding am Ende nichts oder erst zu spät etwas wird. Nein, ich rede nicht von den Vollspaltenböden in den Schweineställen, die erst ab 2040 (!) verboten sein sollen.
Die Rede ist vielmehr von einem längst überfälligen europäischen Rechtsrahmen für die seit der Finanzkrise völlig unkontrolliert aus dem Boden schießenden Geld-Fiktionen mit der irreführenden Bezeichnung „Krypto-Währungen“.

Zwar haben sich EU-Parlament, Rat und Kommission nach langem Tauziehen nun doch auf eine Verordnung geeinigt, die ab Ende 2023 etwas mehr Transparenz mit sich bringen wird. So wird künftig immerhin der absurd hohe Energieverbrauch der Ur-Kryptowährung Bitcoin und all ihrer Imitate – es gibt über 4000 davon! – offenzulegen sein. Was nichts daran ändern wird, dass jede einzelne Transaktion mehr Energie verzehrt als ein österreichischer Durchschnittshaushalt pro Jahr – aber immerhin. Und dass die künftige Kryptotransfer-Verordnung ein gewisses Maß an Transparenz hinsichtlich Herkunft und Empfängern von Vermögensdaten vorschreibt, stellt durchaus einen Fortschritt dar.

Dennoch haben die Lobbyisten jenes spekulativen Teils der Finanzwirtschaft, den John Maynard Keynes einst „Casino-Kapitalismus“ nannte, wieder einmal ganze Arbeit geleistet und tiefergreifende Einschränkungen verhindert. Bei ordnungsgemäßer Erfüllung der neu geschaffenen Meldepflichten wird nämlich der weiteren, unkontrollierten Wucherung monetärer Sumpfblüten auch künftig nichts Grundlegendes im Wege stehen.

Die Befürworter von Bitcoin und Konsorten stellen es dabei stets geschickt an, sowohl Teile der Wirtschaftspresse als auch von ökonomischem Wissen unbelastete Monetär-Anarchos hinter sich zu versammeln. Sie schwärmen gemeinsam von dezentralem Geld ganz ohne Notenbankkontrolle. Dieser basisdemokratische Romantizismus erweist sich allerdings als höchst riskant. Es handelt sich bei all den Kryptos mit ihren raschen Spekulationsgewinn versprechenden Fantasienamen nun einmal nicht um Währungen, sondern schlicht um spekulative Konstrukte, die mit der jederzeitigen Gefahr eines vollständigen Wertverlustes verbunden sind.

Man könnte meinen: wer es wagen will und es sich leisten kann, den sollte man nicht hindern, bei diesem Spiel mitzumachen. Es ist ja auch nicht verboten, ins Casino zu gehen. Allerdings geht es hier eben nicht um Einzelschicksale, sondern um daraus erwachsende systemische Risiken, die die Finanzstabilität als Ganze gefährden können.

Dass die Krypto-Kulissen zuletzt krachend eingebrochen und viele der im Windschatten von Bitcoin inszenierten Imitate kollabiert sind oder sich als betrügerische Unterfangen erwiesen haben, scheint jedoch noch immer nicht auszureichen, um mit noch klareren Spielregeln dafür zu sorgen, dass die ohnehin schon überbordenden Finanzmarktrisiken durch Pseudo-Währungen nicht noch weiter gesteigert werden. Eindeutig zu viel Weile für ein gutes Ding!

14. Juli 2022

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