Alle Macht bei den Notenbanken zu konzentrieren und den Banken die Möglichkeit zur Kreditvergabe und damit auch zur Geldschöpfung zu nehmen, wäre ein Irrweg.
In wenigen Tagen findet über Betreiben der „Vollgeld-Initiative“ in der Schweiz eine Volksabstimmung statt, die das hochkomplexe Thema „Geldschöpfung“ ins Scheinwerferlicht des öffentlichen Interesses rückt. Würde umgesetzt, was die Initiatoren anstreben, käme das einer Revolution des Geldwesens gleich. Im Kern geht es darum, dass in Zukunft alle Spareinlagen zur Gänze Notenbankgeld darstellen sollen. Die Anleger hätten damit kein Bankenrisiko mehr zu tragen. Gleichzeitig soll den Banken verboten werden, aus Spareinlagen ihrer Kunden Kredite zu machen und somit Buchgeld zu schöpfen. Von einem solchen „Vollgeldsystem“ versprechen sich seine Befürworter nicht weniger als das Ende aller Finanzkrisen.
Der gängigen Finanztheorie zufolge gibt es in einer im Gleichgewicht befindlichen Volkswirtschaft immer gerade so viel Geld, wie für den Austausch von Waren und Dienstleistungen benötigt wird. Die Notenbank steuert über die Höhe der von den Banken geforderten Mindestreserven an Notenbankgeld die Geldmenge. Die Banken nehmen Spargeld entgegen und reichen Kredite aus. So kann in einer wachsenden Wirtschaft bedarfsgerecht neues Buchgeld entstehen und bei nachlassender Konjunktur auch wieder weniger werden.
Allzu lange blieb in dieser Modellbetrachtung jedoch unbeachtet, dass mit der Zeit immer größere Teile der Kreditgeldschöpfung nicht mehr unternehmerischen und privaten Zwecken der „Realwirtschaft“ dienten, sondern purer Spekulation. Erst als die Finanzkrise vor zehn Jahren zum Beinahe-Zusammenbruch des globalen Finanzsystems führte, wurde mit einem Mal klar, wie wenig man über die systemischen Gefahren einer allzu expansiven Finanzwirtschaft wusste, die ohne ausreichende Eigenkapital-Vorsorge ins Uferlose gewachsen war.
Die Befürworter des Vollgeldes sehen in dem von ihnen vorgeschlagenen radikalen Systemwechsel ein Allheilmittel auf dem Weg zu einem soliden Finanzsystem. Schon deshalb verschließen sich nicht wenige Anhänger der erstmals in der Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre in den USA aufgeflammten Idee in ihrem Sendungsbewusstsein selbst den gewichtigsten Gegenargumenten – und zwar auch dann, wenn diese von durchaus systemkritischen Ökonomen stammen.
So warnte etwa Stefan Schulmeister schon vor zwei Jahren vor den „fatalen Folgen des gut Gemeinten“. Alle Macht bei den Notenbanken zu konzentrieren und den Banken die Möglichkeit zur Kreditvergabe zu nehmen, hält er ebenso für einen Irrweg wie die Hoffnung, es ließe sich damit die Spekulation auf den internationalen Finanzmärkten eindämmen. Die Vollgeld-Gläubigen beeindruckte das wenig.
Umfragen lassen eine klare Mehrheit von Nein-Stimmen gegen das „Vollgeld“ erwarten – und das ist gut so. Dennoch ist die Volksabstimmung auch ein Zeichen für berechtigte Ängste vor einem nach wie vor krisenanfälligen Finanzsystem. Dagegen helfen jedoch keine vermeintlichen Wundermittel, sondern nur eine deutlich höhere Durchsetzungskraft gegenüber den globalen Großbanken bei der Regulierung des Finanzsystems.
07. Juni 2018