Klartext 21

US-Wahlen: Reagiert die EU?

 

Zufällig war es Oakland, die Geburtsstadt von Kamala Harris, wo ich im Zuge einer Kalifornien-Reise vor wenigen Tagen die Fernsehdebatte zwischen den beiden Vize-Präsidentschafts-Kandidaten Tim Walz und JD Vance verfolgte.

Zunächst dominierten überraschend versöhnliche Töne zu den drängendsten Wahlkampfthemen – von der Migration bis zur wirtschaftlichen Lage. Vance suchte sichtlich nach einer Profilierung als moderater Mitkämpfer des Polit-Rabauken Trump.  

Dann aber wurde der 6. Jänner 2021 zum Thema – und hier hatte Tim Walz alle Punkte auf seiner Seite. Denn Vance verweigerte jedes Eingeständnis, dass Donald Trump damals einen Staatsstreich angezettelt hatte. Dabei belegt ein zuletzt aufgetauchtes Tonbandprotokoll in aller Deutlichkeit, wie brutal er damals vorging. Als nämlich Trump inmitten des Sturms aufs Kapitol darüber informiert wurde, dass sich sein damaliger Vizepräsident Mike Pence in höchster Gefahr befand, reagierte er mit einem lapidaren „So what?“.

Einen Kandidaten mit einem so drastischen demokratiepolitischen Sündenregister zur Wahl antreten und damit an die Schalthebel des Weltenschicksals zu lassen, ist jedenfalls mehr als ein inneramerikanisches Problem. Noch größer ist der Kollateralschaden, den Trumps Kandidatur in all jenen Länder anrichtet, die jahrzehntelang die USA als Ordnungsmacht weitgehend akzeptiert hatten. Die „american rule“ verliert an Glaubwürdigkeit, das Fehlen ernsthafter Friedensinitiativen in den aktuellen Kriegsgebieten treibt die Fragmentierung der politischen Kräftezonen erst recht voran.

Umso entscheidender wäre, dass es Europa angesichts dieser amerikanischen Herausforderung endlich gelingt, ein eigenständiges außenpolitisches Profil zu entwickeln, Immerhin gab es ja Zeiten „als das Wünschen noch geholfen hat“! 

10. Oktober 2021

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