Die Jubiläumstagung des westlichen Verteidigungsbündnisses NATO anlässlich seiner Gründung vor 75 Jahren hinterlässt gemischte Gefühle. Wohl kann die Erweiterung um Finnland und Schweden auf nunmehr 32 Mitglieder als Erfolg gelten. Auch ist die erhöhte Bereitschaft, der Ukraine gegen die russische Aggression militärisch beizustehen, derzeit wohl alternativlos – auch wenn auf ein baldiges Zeitfenster für ernsthaftere als die bisherigen diplomatischen Bemühungen um einen Waffenstillstand zu hoffen ist.
Weniger nachvollziehbar erscheint hingegen der Versuch, das Bündnis gleich auch gegen China und dessen imperiale Ambitionen im indo-pazifischen Raum auszurichten. Denn bei aller militärischen Abhängigkeit von den USA sollten sich die europäischen Mitgliedsstaaten des Verteidigungsbündnisses nicht vor den Karren von deren Weltherrschafts-Vormachtkämpfen mit China spannen lassen.
Wir haben uns mittlerweile ja damit abgefunden, dass die Friedensdividende aus den Jahren nach der Ostöffnung weitgehend aufgezehrt ist. In Erinnerung an die wichtige Rolle, die seinerzeit der „Nachrüstungsbeschluss“ für die Befreiung der vom Warschauer Pakt unterdrückten Länder gespielt hat, zeigen sich Europas Mitglieder des transatlantischen Bündnisses und sogar das neutrale Österreich bereit, deutlich mehr als bisher in verbesserte Verteidigungskapazitäten zu investieren.
Die Einbeziehung des pazifischen Raumes jedoch würde das NATO-Projekt klar überfordern. Für diesen Weltteil wird es – und sei es unter amerikanischer Federführung – einer eigenständigen Bündnisstrategie bedürfen. Man sehe mir die auf den ersten Blick weit her geholte Analogie nach: auch in den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts hat niemand von Europa erwartet, am Vietnamkrieg mitzumischen.
18. Juli 2024