„Hätte, hätte, Fahrradkette“: mit dieser Redewendung ironisieren unsere deutschen Nachbarn verkorkste Situationen, von denen im Nachhinein alle zu wissen glauben, wie es besser gegangen wäre. Was aber tun bei Problemlagen, die so komplex sind, dass Wunschdenken machbaren Lösungen im Wege steht?
Der Versuch der EU, mit einem strengen Lieferkettengesetz alle Vorprodukte verpflichtend auf ihre menschenrechtskonforme und umweltgerechte Herstellungsweise zu überprüfen, veranschaulicht beispielhaft, wie schwierig diese Frage zu beantworten ist.
Denn viele der regulatorischen Vorgaben, mit denen dem europäischen Wertekanon weltweit Geltung verschafft werden soll, erweisen sich als wirklichkeitsfremd und kostspielig. Mitten in der schwächelnden Konjunktur entstehen daraus Wettbewerbsnachteile und unkalkulierbare Rechtsrisiken, die selbst größere Unternehmen überfordern. Zumal der bisherige europäische Ansatz dem trügerischen Leitbild einer „ever converging union“ folgt, in der suprastaatliches Recht in jedem der 27 Mitgliedsstaaten zu gelten hat. Dass die dafür als Vorbild geltenden USA in der Realität den genau umgekehrten Weg gehen und die Regulierung von Umweltstandards weitgehend den Bundesstaaten überlassen, wird dabei schlicht übersehen.
Es war deshalb durchaus berechtigt, dass Deutschland und Österreich mit ihrer Stimmenthaltung jüngst den Aufschub der Beschlussfassung über das endgültige Gesetzeswerk bewirkt haben. Damit ist Zeit gewonnen, um statt einzelbetrieblicher Berichtspflichten auf die Schaffung multilateraler handelspolitischer Regeln auf Ebene der Welthandelsorganisation zu drängen, die zur Einhaltung sozialer und ökologischer Standards verpflichten. Denn nur machbare Lösungswege führen zu wünschenswerten Wirklichkeiten.
29. Februar 2024