Beitrag zur Festschrift für Univ.Prof.Dr. Werner Clement, Frankfurt 2001
Präludium in G(lobalisierungs)-Dur
Der Zusammenbruch der zentralistischen Staatswirtschaften vor einem Jahrzehnt hat die Systemkonkurrenz zwischen Markt und Plan beendet. Niemand zweifelt mehr an der Überlegenheit der Wettbewerbswirtschaft. Sie ist der wirksamste Entdeckungsmechanismus von Bedürfnissen und den dazu passenden Produkten, sie sorgt für effiziente Zuteilung knapper Produktionsressourcen, schöpferische Zerstörung (Schumpeter) von Überkommenem und Wertschöpfung durch ständige Produkt- und Verfahrensinnovation. Keine andere Wirtschaftsordnung schafft das so gut.
Fast ein Drittel der Menschheit lebt in Transformationsländern, die mit unterschiedlicher Geschwindigkeit Marktkräfte freisetzen, der individuellen Entfaltung unternehmerischer Initiative Spielräume geben und schrittweise die Basis für Massenwohlstand schaffen, auch wenn die Startbedingungen der noch jungen Marktwirtschaften mitunter an den Manchester-Liberalismus erinnern.
Die Globalisierung der Märkte ist auch eine Globalisierung des Individualismus und der Bürgerrechte. Entfaltungs-Hilfe für eigenverantwortetes Wirtschaften erweist sich oft als die wirksamste Form von Entwicklungs-Hilfe. Aus Entwicklungsländern werden Tigerstaaten, aus gegängelten Menschen schrittweise mündige Wirtschaftsbürger.
Die “unsichtbare Hand” (Adam Smith), mit der aus der millionenfachen eigen-nützlichen Aktivität von Bürgern etwas gesamtwirtschaftlich Nützliches entsteht, reicht heute weiter denn je. Die Revolution der Informationstechnologie trägt die Chancen der Informationsgesellschaft in die entlegensten Gegenden. Die Gleichheit der Zugangsmöglichkeiten wirkt auch hier demokratisierend, befreit von traditionalisitschen Fesseln. Konkrete, persönliche Aufstiegsmöglichkeiten gibt sie selbst in starren Standesgesellschaften (wie beispielsweise jener Indiens, wo jungen Computerspezialisten der soziale Aufstieg gelingt, weil sie zur neuen “Kaste” der leistungsbereiten, mobilen Informationsdienstleister gehören).
Kontrapunkt in G(erechtigkeits)-Moll
Mit dem Wohlstand wächst die Ungleichheit. Am einen Ende des Spektrums gilt das für die USA als höchst entwickelter Marktwirtschaft der Welt, am anderen Ende des Spektrums für die rasch konvertierten Ex-Planwirtschaftsländer. Dazwischen fürchten die entwickelten Marktwirtschaften mit ausgebauter Sozialstaats-Tradition und einem starken Mittelstand um die Sicherung ihres (europäischen) Gesellschaftsmodells.
Die Spielregeln der Finanzmärkte diktieren den Takt der Realwirtschaft. Die Mobilität von Finanzkapital macht es zwar überall verfügbar – aber auch zu einem flüchtigen Gast. Spekulation und rascher Reichtum werden zum Selbstzweck und scheinen oft wichtiger als Wertschöpfung und Nachhaltigkeit
Zufriedenheit ist zur Untugend geworden, Wachstum zum Selbstzweck. Das Sozialkapital wird aufgebraucht, Solidarität ist nur ein Wort, Werte gehören den Gutmenschen, Flexibilität ist wichtiger als Bindungen, die Wahrheit ist ein Kind der Zeit. Soziale Marktwirtschaft gilt als ein sozialromantisches Missverständnis, das nun endlich abgelöst wird von der Shareholder-Kratie.
Dreistimmige Invention der Wirtschaftsstile
Die mehrstimmige Invention ist ein wunderbares Geflecht von aufeinander abgestimmten, ineinander gefügten Melodien-Strängen. Sie soll am Ende des Bach-Jahres als Bild für die Stimmigkeit einer Wirtschaftsordnung dienen, deren Grundmelodie Wettbewerbswirtschaft mit sozialen und ökologischen und .
Gute Wirtschaftsordnungen sind niemals einstimmig: es ist nicht der Plan, der am besten über die Zuteilung knapper Ressourcen und die Weichenstellung für Wertschöpfungs-Ströme entscheidet. Und es ist nicht nur der Markt, der über den Einsatz dieser Ressourcen und ihre Verteilung bestimmt.
Eine Wirtschaftsordnung, in der Effizienz und Gerechtigkeit vereinbar sein sollen, lebt vom gelingenden Gefüge einer rahmengebenden Ordnungspolitik und einer diesen Rahmen wert-schöpferisch ausnützenden Wettbewerbswirtschaft.
“Falls es eine unsichtbare Hand gibt” – Gedanken zur politischen Ökonomie der Shareholder-Value-Gesellschaft
Intellektuelle Day-Trader: die ideologische Mode zum Tage, Zitat eines Politikers: die Wahrheit ist ein Kind der Zeit (das Sein bestimmt das Bewußtsein, erst kommt das Fressen dann die Moral – erst kommt der politische Vorteil, dann die Moral).
Das europäische Modell: ein Allzweck-Fahrzeug: elegant und geländegängig, schnell und bequem.
Kaum länger als ein Jahr hat uns die New Economy beschäftigt, schon erleben wir ihren Absturz, ihr Eingehen in die Old-Economy. Das Journal des Luxus und der Moden präsentiert uns intellektuelle Trends am laufenden Band. Vom hip-hop der Vorstädte zum hard rock des flachen Landes zum main stream der gängigen Vorurteile.
Flexibilität, Mobilität, Herausforderung: Euphemismus für Problem. Wagen wir es, es beim Namen zu nennen, wenn es wirklich ein Problem ist. Tun wir nicht so, als hätten wir immer schon darauf gewartet, dieses Problem zu bekommen, damit wir die Chance haben, die nächste Herausforderung zu bewältigen. Seien wir ehrlich damit: wir haben ein Problem.
Zugegeben, ein Wohlstandsproblem –aber das ist nicht weniger “herausfordernd”.
New Economy, neue Marktwirtschaft, Dritter Weg, “neue” Wirtschaftsordnung.
Sicher, wir brauchen neue Antworten auf die neuen Fragen einer neuen Wirklichkeit – aber die grundlegende Lösungsweise, die Haltung, aus der wir diese Antwort definieren, kann sich nicht genauso schnell verändern wie die Antworten selbst.
Wie können wir trennen zwischen strukturkonservativ und wertkonservativ. Wie lautet die wertkonservative, in der ordnungspolitischen Tradition der Sozialen Marktwirtschaft stehende Antwort auf die heutigen Fragen?
Neuerungssucht der Wirtschaftsstile, Anpassungsdruck an den main-stream.
Thesen zur Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft – ihre Weiterentwicklung als globaler Ordnungsansatz.