Finanzstabilität heißt sicherstellen, dass die Geldwirtschaft vor allem der wertschöpfenden Realwirtschaft dient.
Das Drängen der Jungen hat sich gelohnt: die Notwendigkeit eines klimaschonenden Umgangs mit den begrenzten natürlichen Ressourcen steht endlich weltweit außer Streit. In letzter Zeit ertappe ich mich dabei, mir eine vergleichbare Veränderungs-Energie für die globale Finanzwirtschaft zu wünschen. Gewissermaßen eine „Fridays for Future of Finance“-Initiative. Auch wenn das nach einem Wunsch ans Christkind klingt.
So wie Klimaschutz und saubere Umwelt ist nämlich auch „Finanzstabilität“ ein zentrales, im Interesse der Allgemeinheit liegendes öffentliches Gut. Dabei geht es zum einen um Geldwertstabilität als dem zentralen Ziel von Notenbanken – ein Feld auf dem sich die Europäische Zentralbank (EZB) trotz der Krisen-Kaskade der letzten Jahre durch den Einsatz eines ganzen Arsenals an zuvor weitgehend unbekannten Instrumenten weitgehend erfolgreich geschlagen hat.
Finanzstabilität im umfassenderen Sinn beinhaltet jedoch mehr als den Erhalt von Geldwerten. Es gilt vor allem sicherzustellen, dass von Finanzkrisen ausgelöste Instabilitäten nicht auf die Staatshaushalte durchschlagen und damit künftige Generationen belasten. Oder, anders: dafür zu sorgen, dass die Geldwirtschaft in erster Linie der wertschöpfenden Realwirtschaft dient.
Gerade hier aber zeigen sich bei näherem Hinsehen gravierende Systemschwächen. So führen an Tageswerten orientierte Bilanzregeln im Aufschwung zur spekulativen Aufblähung von Vermögenswerten und im Abschwung zu völlig überzogenen Abwertungen. Zugleich verdünnen sich im Abschwung die durch so genannte „Risiko-Gewichtung“ zuvor künstlich schöngerechneten Eigenkapitalpolster von Großbanken rapide. Krisen werden so verstärkt statt eingedämmt.
Dazu kommt die intransparente, wachsende Welt der Schattenbanken sowie latente Bedrohungen durch unregulierte, spekulative Finanzprodukte. Ungedeckte Leerverkäufe oder mit viel zu hohen Krediten gehebelte Optionen können bei starken Preisschwankungen jederzeit entgleisen und zur Zündschnur einer nächsten Finanzkrise werden. Die Milliarden-Pleite der amerikanischen Kryptoplattform FTX – der bisher spektakulärste einer ganzen Reihe von Zusammenbrüchen ähnlicher Kunstgeld-Pyramiden allein in diesem Jahr – verweist auf ein weiteres Feld voll von gefährlichen, regulatorisch vernachlässigten Sprengsätzen im globalen Finanzsystem.
Es ist hoch an der Zeit, dass Notenbanken initiativ werden, um Finanzstabilität in diesem umfassenderen Verständnis sicherzustellen, statt sich in banken-regulatorischem Kleinkram zu verlieren, wie das zuletzt bei den Regeln für Immobilienkredite zu besichtigen war. In Kooperation mit dem dafür zuständigen, von den G20-Staaten 2009 gegründeten Finanzstabilitätsrat mit Sitz in Basel müssten sie endlich den Mut aufbringen, tabuisierte Reformthemen anzugehen. Wie viele Wake-up-Calls braucht es noch, bis die von spekulativen Interessen der großen „Player“ diktierten Denkverbote durchbrochen werden? Bei der Lösung dieser Frage hilft kein Warten auf eine Jugendbewegung!
01. Dezember 2022