Die Furche - 345

Über eine Säule der Allparteilichkeit

Der Rechnungshof könnte zum Auslöser eines (selbst-)reini-genden Gewitters in Sachen Parteien-finanzierung werden.

Eigentlich hatte ich vor, diesmal etwas über die kroatische Währung „Kuna“ – altslawisch für „Marder“ – zu schreiben. Sie heißt so, weil einst, als Münzgeld noch nicht gebräuchlich war, in Teilen des heutigen Kroatien Marderfelle als Naturalgeld Verwendung fanden. Die seit Beginn des Monats feststehende Tatsache, dass es zum Jahresende mit dem Mardergeld vorbei sein wird, weil Kroatien ab 2023 zum zwanzigsten Euro-Mitgliedsland wird, hätte locker Stoff für eine ganze Kolumne geliefert. Aber dann kam die Meldung über den Bericht des Rechnungshofes zu den Parteifinanzen der ÖVP auf den Tisch und veranlasste mich zum Themenwechsel.

Es ist nämlich zweifellos ungewöhnlich, dass auf Wunsch des Rechnungshofes wegen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der Angaben zu den ÖVP-Wahlkampfkosten 2019 erstmalig ein vom unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (ja, so etwas gibt es!) einzusetzender Wirtschaftsprüfer tätig werden soll. Er wird direkte Bucheinsicht haben – ein Recht, das dem obersten Prüforgan der Republik bisher nach dem Willen aller(!) Parlamentsparteien paradoxerweise noch gar nicht zusteht. Ob das im Entwurf vorliegende Parteienfinanzierungsgesetz ein solches direktes Prüfrecht künftig einräumen wird, ist derzeit noch offen.

ÖVP-Obmann Karl Nehammer sollte sich jedenfalls in dieser Angelegenheit nicht allzu viel Gelassenheit erlauben. Sonst könnte bald Allein-Gelassenheit daraus werden.

Ein (selbst-)reinigendes Gewitter, das vollständige Transparenz und die Zusage mit sich bringt, bestehende Partei-Finanzierungsregeln fürderhin nicht über die Maßen auszureizen, wäre da wohl die deutlich bessere Option. Auch in der Frage der Beanspruchung von Covid-Hilfen durch von der Partei nur formell getrennte Organisationen – wie etwa den Seniorenbund – gibt es nach Klarstellung der Sachlage durch den Rechnungshof nichts mehr zu deuteln. Die Sache in die Länge zu ziehen, würde nur weitere, vermeidbare Reputationsschäden nach sich ziehen.

Wenn die Oppositionsparteien jetzt wieder nach Neuwahlen rufen, hat das allerdings weniger mit sachlichen Gründen als mit dem finanziellen Anreiz zu tun, der sich daraus ergibt, dass vorzeitige Nationalratswahlen nicht etwa aliquot, sondern zu vollen Kosten aus Steuergeldern finanziert werden. Ob die Parteien bereit wären, diesen Fehlanreiz mit einer ergänzenden Neuregelung im Parteienfinanzierungsgesetz endlich zu korrigieren, wäre eine weitere Nagelprobe für die Ernsthaftigkeit ihres Reformwillens.

Dass sich der Rechnungshof gerade jetzt als Säule einer funktionierenden Gewaltenteilung bewährt, kann man gar nicht hoch genug schätzen. Präsidentin Margit Kraker leistet ganz ohne mediale Eitelkeit sachgerechte, überparteiliche Arbeit für das Staatsganze. Dass sie 2016 für zwölf Jahre bestellt wurde und kein zweites Mal gewählt werden kann, sichert ihre Unabhängigkeit und ermöglicht jene wohltuende Allparteilichkeit, wie sie im Grund für jede politische Spitzenfunktion in einer repräsentativen Demokratie selbstverständlich sein sollte.

15. Juni 2022

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