Die Hoffnung auf ein besseres „Metaversum“ ist trügerisch. Wir teilen unsere Welt doch lieber mit Menschen als mit Avataren!
Schöne Aussichten für das Belvedere: zu der Idee, durch den Verkauf von 10.000 winzigen digitalen „Unikaten“, von denen jedes ein Stück des Klimt-Gemäldes „Der Kuss“ repräsentiert, einen zweistelligen Millionenbetrag einzuwerben, kann man dem innovativen Direktoriumsteam Stella Rollig und Wolfgang Bergmann nur gratulieren. Die Idee passt einfach. Wer damit Freude hat, um saloppe 1.850 Euro zu den Pionier-Käufern eines der Mikro-Abbilder zu gehören, kann sich selbst dann, wenn sich der Wert seines Investments nicht steigern sollte, damit trösten, eines der kostbarsten Museen des Landes gefördert zu haben. Niemand kann hier verlieren.
Schon ganz anders stellt sich das dort dar, wo Zertifikate, die mit Blockchain-Technologie hinterlegt werden und beanspruchen, fälschungssicher zu sein, virtuelles Eigentum an Kunst-Werken verbürgen, die sich bei näherem Hinsehen als Fiktion herausstellen. Schon befassen sich renommierte Anwaltskanzleien mit den komplizierten vertraglichen Entwürfen dieser neuen Kleider, deren Käufer, so sie es denn merken, am Ende so nackt dastehen wie der bedauernswerte Kaiser in Christian Andersens Märchen. Aber selbst auf diesem Feld des Einsatzes von so genannten Non-Fungible Tokens (NFTs) ließe sich noch argumentieren, es sei schließlich jedermanns Privatvergnügen, auf welche Form der Künstlichkeit er/sie sich zu welchen Kosten auch immer einlässt.
Es müssen ja nicht gleich 69 Millionen Dollar sein. Um diesen wohl ohne Übertreibung irrwitzig zu nennenden Betrag, wurde erst vor einem Jahr im Auktionshaus Christies eine Collage aus 5000 Bildern ersteigert, die ein Grafikdesigner unter dem Pseudonym Beeple zusammengewürfelt hatte. Seither erlebt der Markt für digitale Eigentumszertifikate einen nahezu ungebremsten Wachstumsschub. Zahllose Nachahmer hoffen darauf, dass auch bei ihnen – auch wenn dieser Begriff auf Kryptowährungen nicht im wörtlichen Sinn anwendbar ist – die Kasse klingelt.
Endgültig abgehoben und geradezu fahrlässig spekulativ wird die Sache allerdings dort, wo in all dem Geschwurbel um ein kommendes „Metaversum“ mittlerweile sogar virtuelle Grundstücke und Wohnimmobilien zu Phantasiepreisen „verkauft“ werden, obwohl es sich auf den teuer erworbenen Digitaldokumenten weder liegen noch darin wohnen lässt. Luftgeschäfte also, die kaum jemand so zu nennen wagt, weil man nicht gerne als zu wenig aufgeschlossen und innovationsfreudig gelten möchte. Dass der Aktienkurs des mittlerweile in „Meta“ umbenannten Facebook-Konzerns eben erst kräftig eingebrochen ist, reicht wohl noch nicht aus, um all die Digitalisate und hohlen Versprechungen einer von Avataren besiedelten Welt endlich nüchterner zu sehen.
Wenn wir nur nicht darauf vergessen, dass das eigentlich Einzigartige unsere Mitmenschen sind, jene „Non-Fungible Humans“ (NFHs), denen wir alltäglich begegnen dürfen, ohne dafür in elektronische Ausrüstungen investieren zu müssen! All die „Non-Fungible Moments“ (NFMs), die wir mit ihnen verbringen, sind nicht mit Geld aufzuwiegen!
24. Februar 2022