die furche - 333

Höchste Zeit für einen Neubeginn

Die Kombination der schlechtesten aller integrations-politischen Möglichkeiten zu verhindern: darum geht es!

Eine junge Frau, aus einer serbischen Familie stammend und vor 26 Jahren in Wien geboren, berichtete kürzlich im Mittagsjournal über die schier unglaublichen Hürden, auf die sie bei ihrem Streben nach einer österreichischen Staatsbürgerschaft stößt. Den entsprechenden Antrag hatte sie schon vor zwei Jahren gestellt, als sie nach Abschluss eines Studiums in Deutschland nach Wien heimgekehrt war. Eineinhalb (!) Jahre später beschied ihr die zuständige Magistratsabteilung 35, dass das Begehren wegen zu langer Auslandsaufenthalte unzulässig sei. Wie kann es sein, dass derartige amtswillkürliche Entscheidungen gegen jede Lebensrealität „ohne Ansehen der Person“ getroffen werden?

Dabei handelt es sich keinesfalls um einen Einzelfall. Hier geborene Kinder von Nicht-ÖsterreicherInnen sind nämlich systematisch benachteiligt, wenn es darum geht, ob sie eine(r) von uns werden dürfen. Eine mögliche Lösung müsste gar nicht in der simplen Kopie des amerikanischen „ius soli“ bestehen, das Staatsbürgerschaften automatisch mit dem Geburtsland verknüpft. Als Vorbild könnte vielmehr die seit 2000 in Deutschland geübte Praxis gelten, Jugendlichen, deren Eltern Ausländer sind, aber seit zumindest 8 Jahren legal im Land leben, die Einbürgerung zu ermöglichen – unter der Voraussetzung ausreichender Sprachkenntnisse und eines glaubwürdigen Bekenntnisses zur demokratischen Verfassungsordnung.

Auch wenn Österreich integrationspolitisch Überdurchschnittliches leistet – allzu vieles läuft dennoch falsch. Ich erinnere mich an den Fall einer aus Bosnien-Herzegowina stammenden Medizinerin, die hier in Mindestzeit studiert hatte und der man aus fadenscheinigen Formal-Gründen die Staatsbürgerschaft versagt hatte. Mittlerweile wurde sie freudig in der Schweiz aufgenommen. Dort hat sie nun als Ärztin dauerhaftes Aufenthaltsrecht gefunden, eine Dienstwohnung und überdies jene Wertschätzung, die ihr hier, wo sie sich ganz zu Hause fühlte, versagt wurde.

Auch wenn aktuelle Meldungen über Aufgriffe von Schleppern auf eine neuerliche Welle illegaler Migration hinweisen: die berechtigte Abwehr solcher Entwicklungen darf nicht mit einer undifferenzierten Integrations-Sperre gegenüber jenen einhergehen, die sich hier – oft unterstützt von engagierten MitbürgerInnen – beheimatet haben. Dass die EU aktuell um eine Richtlinie ringt, die den – so der Wortlaut im Entwurfstext – „Flickenteppich“ einander widersprechender Regelungen in den Mitgliedsstaaten endlich bereinigt, sollte deshalb von der Bundesregierung als Auftrag zu einer Neuausrichtung der Asyl- und Migrationspolitik wahrgenommen werden.

Nur so entkommen wir der Falle, integrationspolitisch die schlechtesten aller Möglichkeiten zu kombinieren, indem wir Menschen, die längst zu uns gehören, die Chance auf Einbürgerung verweigern und uns zugleich von den vielen anderen, die unkontrolliert einwandern, überfordert fühlen müssen.

Wie dieses Thema zu Weihnachten passt? Ich glaube, es hat mit Herbergssuche zu tun!

Ich wünsche Ihnen ein schönes Fest und Alles Gute für 2022!

23. Dezember 2021

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