Statt sorgfältiger Suche nach den Bestgeeigneten wurde die hastige Ministerauswahl zum Triumph der Verbundes-länderung.
Diese „Gegenreformation“ war wohl eine der schnellsten aller Zeiten. „Zack,zack,zack“. Wenige – allzu wenige – Stunden nach dem Rückzug des 35-jährigen Altkanzlers hatten die Bundesländer-FürstInnen mit seinem eilig gekürten Nachfolger Karl Nehammer bereits eine Ministerliste ausgebosselt. UHBP hatte kaum Gelegenheit, Luft zu holen und konnte erst nach deren öffentlicher Verkündigung einmahnen, dass Sorgfalt und Qualität bei der Auswahl von allerhöchsten Staatsdienern eine gewichtige Rolle spielen sollten. Da war es aber schon zu spät. Dabei hätten wohl auch die Unduldsamsten akzeptiert, dass nach den doch überraschenden Rücktritten in den Schlüsselresorts Finanzen und Bildung und dem Erfordernis der Neubesetzung des heiklen Innenministeriums die gewissenhafte Auswahl von NachfolgerInnen noch einige Tage mehr benötigt hätte.
Immerhin lag für das Finanzresort in Person von Arbeitsminister Martin Kocher eine Lösung nahe, die uns allen teure Lernkurven von noch so geeigneten Newcomern erspart hätte. Ähnliches gilt für das Bildungsresort, für dessen Führung eine Reihe profilierter SchulpädagogInnen mit Krisenerfahrung zur Auswahl gestanden wären. Aber wie sonst wäre es zu dieser verblüffenden regionalen Ausgewogenheit gekommen, die nun den paradoxen Makel aufweist, dass es mit einem Mal an Besetzungen aus der Bundeshauptstadt Wien fehlt.
Sollten wir uns jetzt darüber freuen, dass alles so flott ging? Oder darf man darüber ernüchtert sein, wie offensichtlich übereilt da vordergründig nach den Besten der Besten gesucht wurde, während die kaum verborgene Agenda hieß, verloren gegangenes föderales Terrain um fast jeden Preis zurückzuerobern?
Ganz nebenbei kam es dabei auch zu störenden stilistischen Fauxpas. Vielleicht habe ich aber auch angemessene Worte der Wertschätzung gegenüber Alexander Schallenberg, der als Interimskanzler stark an Profil gewonnen hatte, einfach überhört. Gleiches gilt für die abgetretenen Minister Gernot Blümel und Heinz Fassmann. Auch mit Kurzzeit-Außenminister Michael Linhart gingen die Gegen-Reformatoren nicht gut um. Am Morgen des Tages seiner Abberufung, gerade in diplomatischer Mission unterwegs, hatte man ihn über seine bevorstehende Rückversetzung noch nicht informiert. Nun weiß man ja, dass es rau zugeht in der Parteipolitik. Dennoch ist inständig zu hoffen, dass der mit solchen Versäumnissen verbundene Stilverlust nicht zum Dauerprogramm wird.
Möge nun der Neustart der Regierung trotz dieser vermeidbaren Anfangsfehler gelingen und die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode arbeitsfähig bleiben. Von der vereinigten Opposition hingegen wäre zu fordern, dass sie auf Durchführung des durch den Rückzug von Sebastian Kurz aus der Politik zum Anachronismus gewordenen zweiten Untersuchungsausschusses schlicht verzichtet. Dessen unleugbares Hauptziel ist ja schon erreicht. Den Rest sollen Gerichte klären. Aber das ist in der herrschenden hyperparteipolitisierten Atmosphäre wohl ein Wunsch ans Christkind.
09. Dezember 2021