Endlich gibt es einen global gültigen Ethik-Leitfaden für Künstliche Intelligenz. Seine Wurzeln liegen in Österreich.
Nicht in politischer Verantwortung für das Pandemie-Management zu stehen, ist in der aktuellen Situation beinahe schon ein Privileg. Als Privatperson fällt es einem nämlich leicht, sich selbst zu verzeihen, dass man mit der Einschätzung zu Herbstbeginn falsch lag. Schließlich waren damals ja auch namhafte Virologen zuversichtlich, dass es für Geimpfte voraussichtlich keinen strengen Lock-Down mehr geben müsste.
Nun ist es anders gekommen – zu einem nicht nur politisch hohen Preis, sondern auch mit handfesten budgetären Folgekosten, die uns dazu zwingen werden, die Hoffnung auf baldige Konsolidierung des aus dem Ruder laufenden Staatshaushalts um zumindest ein weiteres Jahr in eine ziemlich ferne Zukunft zu verschieben. Der Zorn über diesen teuren Krisen-Zuschlag ist allseits spürbar. Auf fatale Weise vermengt er sich mit dem Protest der von opportunistischen Impfgegnern aufgeputschten Demonstrierenden.
Wenn man den unberechenbaren Volten des Virus, dem Multiorganversagen des politischen Systems und der Selbstgerechtigkeit manch derer, die es immer schon besser gewusst haben, so ohnmächtig ausgeliefert ist wie wir alle in diesen Tagen, sehnt man sich nach entlastenden Nachrichten und Geschichten des Gelingens. Deshalb will ich, statt in machtlosem Stammeln zu verharren, kurz von einer solchen Geschichte erzählen. Vorausgeschickt sei, dass sie zwar internationale Beachtung gefunden hat, inmitten der infizierten Atmosphäre innerösterreichisch jedoch kaum wahrgenommen wurde.
Es geht dabei um den ersten global anwendbaren Ethik-Standard für „Künstliche Intelligenz“ (KI), der unter der Bezeichnung „IEEE 7000“ vor wenigen Tagen im Rahmen einer internationalen Arbeitstagung des weltweit größten Ingenieur-Verbandes an der Wirtschafsuniversität Wien (WU) aus der Taufe gehoben wurde. Das innovative Regelwerk soll bewirken, dass all die verlockend hilfreichen, aber auch abhängig machenden Produktangebote der digitalen Welt in Hinkunft schon während des Programmiervorganges auf ihre sozialen und ethischen Folgen hin abgeklopft werden müssen. Die Europäische Kommission macht sich bereits daran, den neuen Qualitätsmaßstab in ihr Projekt „Digitaler Kompass“ zu integrieren.
Hauptverantwortlich für die Erarbeitung des komplexen Ethik-Leitfadens ist Sarah Spiekermann-Hoff, Professorin für Wirtschaftsinformatik und Gesellschaft an der WU. Ihr gelang es, in mehrjähriger Arbeit das Wissen von 34 InformatikerInnen aus sechs Kontinenten so zu bündeln, dass daraus konkrete Handlungsanleitungen entstehen konnten. Schon sind im nächsten Schritt mit den größten Digitalkonzernen der Welt Schulungen für Programmentwickler im Umgang mit dem neuen Ethik-Standard vereinbart.
Dass dieser erste global akzeptierte Ethik-Kompass in Österreich beheimatet ist, erscheint mir höchst erfreulich. Für die kommenden, down-gelockten Wochen nehme ich mir deshalb vor, neben diesem auch noch andere Fenster eines fiktiven Adventkalenders der Zuversicht zu suchen und zu öffnen. Das hebt vorhersehbar die Stimmung!
25. November 2021