Italiens Regierungskrise zeigt, dass die Skepsis der “sparsamen Vier” gegenüber einem überhöhten Corona-Hilfspaket berechtigt war.
Nun hat also dieses Jahr, das eigentlich ein ganz anderes werden sollte, doch wie eine Fortsetzung des letzten begonnen. Als genügte es nicht, dass die britische Mutation des Corona-Virus das Licht am Ende des Lockdown-Tunnels wieder in weitere Ferne gerückt hat, mangelt es auch nicht an politischen Stimmungsdämpfern. Einer davon ist die in den ersten Januartagen in Italien ausgebrochene Regierungskrise.
Nach nicht weniger als 67 Neubildungen von Ministerkabinetten seit 1945 sieht zwar auf den ersten Blick alles nach Routine aus. Doch der Austritt des ehemaligen Sozialdemokraten Renzi aus der Koalitionsregierung der Fünf-Sterne-Bewegung unter Ministerpräsident Conte bekommt im Zusammenhang mit dem Brüsseler Corona-Hilfspaket eine brisante europäische Dimension. Die „italienische Krankheit“ droht diesmal ansteckend zu sein.
Zwei Drittel des 310 Milliarden Euro umfassenden italienischen Corona-Sonderbudgets werden aus dem 750 Milliarden schweren EU-Corona-Hilfspaket bestritten, das zu mehr als der Hälfte aus Zuschüssen besteht. Doch Roms Regierung zeigt sich bis dato mit der Aufgabe überfordert, ausreichend durchdachte, plausible Förderprojekte vorzulegen. Renzi nannte eben dies als Begründung für seinen wohl auch von Parteitaktik getriebenen Rückzug.
Als im letzten Sommer die „Sparsamen Vier“ („Frugal Four“) eine Reduzierung der geschenkten Anteile des EU-Corona-Paketes und genauere Kontrollen der Mittelverwendung forderten, hatte man ihnen noch Kleinlichkeit vorgeworfen. Nun erweisen sich jedoch die Einwände der kritischen Nettozahler-Gruppe, der neben Österreich auch die Niederlande, Dänemark, Schweden und Finnland angehören, früher als erwartet als durchaus berechtigt.
Italien schließt 2020 mit einem von 135 auf 160 Prozent der Wirtschaftsleistung angestiegenen Schuldenstand ab. Dank der intensiven Anleihekäufe durch die EZB bleiben die Kosten der Corona-bedingten Neuverschuldung überschaubar. Die Gesamt-Größenordnung der aushaftenden Staatsanleihen liegt allerdings mit über 2,6 Billionen Euro in einer Dimension, die unseren südlichen Nachbarn auf Gedeih und Verderb mit der Eurozone zusammenschweißt. Italien ist für den Euroraum schlicht zu wichtig, um fallengelassen zu werden – selbst dann, wenn es sich nicht an vereinbarte Sanierungspfade hält. Als Vertreter der Regierungspartei im November von der EZB großvolumige Schuldennachlässe forderten, schien das deshalb niemanden zu wundern. Ein überschuldetes Italien ist eben nicht unrettbar verloren – langfristig gesehen hätte es sogar gewonnen.
Man kann nur hoffen, dass Italiens nächste Regierung dennoch die Kraft aufbringt, ewig aufgeschobene Reformen des Steuersystems, der öffentlichen Verwaltung sowie des Bildungs-, Gesundheits- und Pensionssystems anzugehen. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als daran sehr interessiert zu sein. Denn mit dem Gelingen dieser Übung steht nichts Geringeres auf dem Spiel als die Glaubwürdigkeit der in Maastricht vereinbarten Spielregeln der gemeinsamen Währung.
21. Jänner 2021