Pseudo-Geldversprechen profitieren vom Nullzins-Umfeld - Prognosen sind dadurch noch schwieriger als sonst.
2020 war auch an den Börsenplätzen der Welt ein ausgerissenes Jahr. Auf den massiven Einbruch der Kurswerte um durchschnittlich 40 Prozent unmittelbar nach Ausbruch der Corona-Krise folgte schon im Frühsommer eine überraschend starke Erholung. In praktisch allen hoch entwickelten Marktwirtschaften vertrieben großzügig dimensionierte Hilfspakete zur Stützung von Kurzarbeit, Fixkosten-Abgeltungen, Steuerstundungen und Kreditgarantien die anfänglichen Ängste vor einem konjunkturellen Absturz ins Bodenlose.
Als nach dem Sommer weitere Lockdowns folgten, blieb das Vertrauen in die Wiederherstellbarkeit wirtschaftlicher Normalität wider Erwarten aufrecht. Wenig später führte die Aussicht auf wirksame Impfstoffe zu einem weiteren, weltweiten Kursauftrieb, sodass der deutsche Aktienindex (DAX) das Corona-Jahr sogar mit einem historischen Höchstwert beendete. Die Wiener Börse blieb allerdings um 8 Prozent unter dem Vorjahr.
Neben jenen Pharma-Unternehmen, die es schafften, Impfungen und Medikamente gegen COVID19 zu entwickeln, profitierten vor allem amerikanische Technologieaktien von der Corona-Transformation. Die führenden digitalen Plattform-Konzerne – von Google über Facebook, Apple und Microsoft bis Amazon – hebelten sich mit ihren hohen Kursen in eine eigene, neue Spielklasse. An die Spitze der Übersteigerung katapultierte sich jedoch überraschend Elon Musk, der den Börsenwert des von ihm gegründeten Elektroautobauers Tesla allein 2020 trotz höchst bescheidener Gewinne um das Zehnfache steigern konnte.
Offensichtlich begünstigt die Politik der Notenbanken spekulative Veranlagungen in Aktien, ergeben doch bei Nullzinsen die abgezinsten Einkommensströme selbst gering rentierender Investitionen verlockend hohe Augenblickswerte („Barwerte“). Wie sich am Beispiel von „Bitcoin“ als der prominentesten von bereits über 4000 „Krypto-Währungen“ zeigt, verschafft diese Ausgangslage auch rein spekulativen Pseudo-Geldversprechen eine unverdient hohe Aufmerksamkeit. Insider, die an solchen Gaukeleien mitschneiden, profitieren dabei vom Wegschauen derselben Regulierungsbehörden, die bei der Beaufsichtigung des klassischen Bankgeschäftes mit einem Wust an Detailvorschriften längst übers Ziel schießen.
Wie soll es nun weitergehen? Die labile globale Finanz-Großwetterlage lässt keine Einschätzungen zu, deren Treffsicherheit über der Aussagekraft von Bauernregeln liegt. Eines der wahrscheinlicheren Szenarien deutet allerdings auf ein baldiges Ende der spekulativen Überbewertungen hin, mit unangenehmen Folgewirkungen, ähnlich jenen, wie sie nach dem Platzen der „New Economy Bubble“ des Jahres 2000 aufgetreten waren. Im Unterschied zu damals wären Zinssenkungen diesmal allerdings kein verfolgbarer Ausweg.
Es ist von daher keine Prognose, sondern eine nüchterne Feststellung, dass das fragile Finanzsystem grundlegend neue Spielregeln braucht, um nach dem Ausreizen des Instrumentariums der Notenbanken am Ende nicht wieder den Staaten und ihren Steuerzahlern zur Last zu fallen.
07. Jänner 2021