die furche - 307

Ein Etappensieg im Ringen um neue Spielregeln

Initiativen von NGOs sind entscheidend im Meinungskampf um bessere Spielregeln.

„Wir können die Welt nicht retten, indem wir uns an die Spielregeln halten. Die Regeln müssen sich ändern, und zwar heute.“ So formulierte Greta Thunberg beim UN-Klimagipfel im September 2019 das Paradoxon jeglicher Reform. Seine Auflösung könnte in einem Gegen-Satz zusammengefasst so lauten: „Wir können die Welt nur retten, indem wir uns an Spielregeln halten – nachdem wir sie grundlegend verändert haben.“ Es geht also um das zeitgerechte Anpassen von Spielregeln – gegen all die Widerstände, die das Aufgeben alter Gewohnheiten und Interessenslagen gewöhnlich provoziert.

Ein beispielhafter Teilerfolg ist hier soeben in der Schweiz gelungen. Dort stimmte am letzten Novembersonntag bei einer Wahlbeteiligung von 47 Prozent eine Mehrheit von 50,7 Prozent für die Annahme der vor vier Jahren von einer breiten Koalition zivilgesellschaftlicher und kirchlicher Organisationen ins Leben gerufenen „Konzernverantwortungs-Initiative“. Ihr Ziel: In Zukunft sollen Konzerne für die Arbeits- und Umweltbedingungen in den globalen Lieferketten der von ihnen benötigen Vorprodukte verantwortlich gemacht werden können.

Trotz der absoluten Stimmenmehrheit führte allerdings eine Ungleichverteilung der Ergebnisse zwischen den einzelnen Landesteilen zur Ablehnung des Begehrens durch eine Mehrheit an Kantons-Stimmen (dem sogenannten „Ständemehr“). Dies entspricht dem Regelwerk solcher Volksbefragungen.

Dennoch können sich die Initiatoren, zu denen auch der in Luzern lehrende Theologe und Sozialethiker Peter G. Kirchschläger zählt, als Sieger fühlen. Denn schon vor der Abstimmung erreichten sie eine Zusicherung des Schweizer Parlaments, auch bei Scheitern der Initiative ein Gesetz zu verabschieden, das deren Kernanliegen aufgreift. Jedes Unternehmen ab 250 Beschäftigten soll demnach künftig verpflichtend über die ökologische und soziale Korrektheit der Produktion in ausländischen Tochterfirmen Bericht erstatten. Dem Ziel deutlich erhöhter globaler Verantwortung würde so – mit der Ausnahme weitergehender Haftungsregeln – weitgehend entsprochen.

Auch auf europäischer Ebene ist das Thema mittlerweile angekommen. Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten in Sachen Umwelt, Menschenrechte und Korruption werden zur künftigen Normalität. Der Zug in Richtung einer überprüfbaren Einhaltung sozialer, ökologischer und ethischer Standards ist nicht mehr aufzuhalten. Das ist nicht nur für die bisher von Missständen unmittelbar Betroffenen eine gute Nachricht, sondern auch für jene Mehrheit an Unternehmen, denen faire Spielregeln für alle Mitbewerber ohnehin ein selbstverständliches Anliegen sind. Sie müssen künftig nicht mehr Konkurrenten unterliegen, die es ethisch, sozial und ökologisch billiger geben.

Initiativen der Zivilgesellschaft für neue Spielregeln, die unsere Welt zum Besseren wenden helfen, sind entscheidend für das Gelingen des notwendigen Wandels. Sie bilden das so dringend notwendige Gegengewicht zur Einflussmacht der Statthalter des Status Quo.

Die daraus erwachsende Zuversicht passt gut in die Adventzeit.

10. Dezember 2020

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