Kryptowährungen sind ein Einfallstor für Finanzvergehen aller Art. Eine Regulierung ist überfällig.
Just einen Monat nach jenem 15. September 2008, der mit der Lehman-Pleite die heiße Phase der Finanzkrise einläutete, wurde unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto das Gründungsmanifest der ersten Kryptowährung „Bitcoin“ veröffentlicht. Dieses „White-Paper“ gilt bis heute all jenen, die daran glauben wollen, als ein unantastbares, gewissermaßen geld-wertes Dokument. In weiterer Folge entwickelte sich nach unspektakulären Anfängen ein mittlerweile undurchschaubarer Wildwuchs an Kunst-Geld aller Art.
Aktuell werden nicht weniger als 7046 Kryptowährungen ausgewiesen. Deren in echtem Geld gemessener Gesamtwert belief sich zu Beginn dieser Woche auf etwa 270 Milliarden US-Dollar. Im Jänner 2018 waren es am Höhepunkt der Kursspekulation noch 567 Milliarden. Verglichen mit den über 7 Billionen Dollar, die allein von Blackrock, dem größten Vermögensverwalter der Welt, gemanagt werden, nehmen sich diese Beträge überschaubar aus. Was auch daran liegen mag, dass sich das irreführende Versprechen, Kryptowährungen wären so etwas wie Reservewährungen für unsichere Zeiten, gerade in der aktuellen Corona-Krise in keiner Weise erfüllt.
Nun schickt sich die EU nach einer sich über Jahre hinziehenden Schrecksekunde endlich an, verbindliche Spielregeln für digitales Kunstgeld einzuführen. Dieser beim Treffen der Finanzminister am vergangenen Wochenende getroffenen Grundsatzentscheidung ging eine Expertenbefragung voraus, an der sich auch Internet-Konzerne wie Google oder Paypal beteiligten. Man kam zu dem Schluss, dass kein Weg daran vorbeiführt, digitale Geld-Imitate als Bestandteil moderner Finanzmärkte zu akzeptieren – aber eben innerhalb eines noch in diesem Jahr zu fixierenden, strikten Regelwerks.
Für all jene, die den anarchischen Finanzexperimenten trotz vieler offener Fragezeichen Zeit zur Weiterentwicklung in einem geordneten Rechtsrahmen geben wollen, um den Anschluss an „liberalere“ Technologieumfelder konkurrierender Wirtschaftsräume nicht zu verlieren, ist das eine gute Nachricht.
Viele andere, die seit Jahren aus guten Gründen auf ein Verbot der Geld-Imitate gehofft hatten, müssen hingegen enttäuscht sein. Schließlich sind mit Kryptowährungen nachweislich hohe Gefahren verbunden – von Betrugshandlungen, Geldwäsche und Steuerhinterziehung bis zur latenten Destabilisierung der Finanzmärkte.
Eine gangbare Lösung könnte am Ende darin liegen, dass einerseits Rechtssicherheit in der Übergangszone zwischen der traditionellen und der digitalen Geld-Welt geschaffen wird und andererseits klare Grenzen dort eingezogen werden, wo sich die Magier des Kunstgeldes in die unveräußerlichen Kernkompetenzen der Notenbanken hineinzustehlen versuchen. Prüfstein dafür wird der Umgang mit der von Facebook initiierten globalen Cyber-Währung „Libra“ sein.
Nur gut, dass die Notenbanken diese Gefahr erkannt haben und mittlerweile selbst nach digitalen Lösungen suchen. Nicht um alles Geld der Welt wollen sie Privatkonzernen ihr Kerngeschäft überlassen!
15. September 2020