Einbrüche der Realwirtschaft müssen mit staatlichen Garantien und Arbeitsmarkt-stützungen abgefangen werden.
Börsianern gilt der „Schwarze Schwan“ als Symbol für unerwartete Ereignisse, die zu abrupten Einbrüchen der Börsenkurse führen. Immer, wenn aus einem von niemandem vorhergesehenen Anlass so ein „Trauerschwan“ – so die korrekte zoologische Bezeichnung der seltenen Spezies – auftaucht, fallen die Bewertungen der Aktien in den Keller. So auch in der vergangenen Woche, als der durchschnittliche Kursverlust auf den Weltbörsen Corona-bedingt mit 13 Prozent ähnlich drastisch ausfiel wie zuletzt im Herbst 2008. Diesmal ist allerdings eine Fledermaus als Überträgerin tierischer Viren auf Menschen das schaurige Maskottchen einer Krise, die möglicherweise jener im Gefolge der Lehman-Pleite an Schärfe um nichts nachstehen wird.
Nachdem die Corona-Epidemie zunächst Teile der chinesischen Wirtschaft lahmgelegt hatte, bewirkte der Stillstand dortiger Produktionen in Verbindung mit Einbrüchen im Konsum im Gefolge von Quarantäne-Maßnahmen erste Auftragsdellen auch bei westlichen Unternehmen. Mit der Ausbreitung des Virus kam es auch in Europa und den USA zu Angstreaktionen bei Konsumenten. Rückgängen der Reisetätigkeit mit entsprechenden Folgeschäden für die gesamte Touristik-Branche folgen in einer von Ängsten und Unsicherheit geprägten Stimmung Nachfrage-Einbrüche auch in anderen Branchen.
Lag der Anteil Chinas an der Weltwirtschaft bei der ersten Sars-Epidemie des Jahres 2002 erst bei 4,3 Prozent, macht er heute bereits annähernd ein Fünftel der globalen Wertschöpfung aus. Dies erklärt die viel größer gewordene gegenseitige Abhängigkeit der Wirtschaftszonen und macht klar, warum Europas Wirtschaft von Chinas Produktions- und Nachfrageeinbrüchen wesentlich stärker als damals betroffen ist.
In der Folge wird die beeinträchtigte Rückzahlungsfähigkeit von höher verschuldeten Unternehmen und Haushalten zu Problemen bei den Banken führen müssen. Der im Grunde widersinnige Zwang, in den Bilanzen aller Finanzinstitutionen Tageswerte von Finanztiteln anzusetzen, statt deren langfristige Werthaltigkeit zu berücksichtigen, wird auch diesmal doppelt schaden: einerseits durch das Abschmelzen des ohnehin zu knappen Eigenkapitals der internationalen Großbanken, andererseits durch überzogene Wertminderungen der Finanzanlagen von Versicherungen und Pensionskassen.
Da jedoch der Spielraum der Notenbanken, mit Zinssenkungen zu Hilfe zu eilen, in Nullzins-Zeiten naturgemäß ausgeschöpft ist, kommt die entscheidende stabilisierende Funktion den Staaten selbst zu. Im Rahmen eines umfassenden budgetären Krisenmanagements wird der Instrumentenkasten konjunkturstärkender Sondermaßnahmen in nicht allzu langer Zeit vollumfänglich gefordert sein – von Kreditgarantien bis zu Stützungsprämien für vorübergehende Kurzarbeit.
Derartige Interventionen können nicht kostenlos sein. Die Abwehr eines massiveren Einbruchs macht sich jedoch erfahrungsgemäß bezahlt – auch um den Preis der vorübergehenden Verletzung von Verschuldungsgrenzen. An diesem Grundsatz fiskalischer Notfallmedizin führt kein Weg vorbei.
05. März 2020