Die Konferenz von Bretton Woods ermöglichte vor 75 Jahren den Nachkriegs-Aufschwung. Damals setzten die USA konsequent auf multilaterale Zusammenarbeit. Beim jüngsten G20-Gipfel hingegen ging es vor allem um “America First”.
Dass globale Probleme nur dann lösbar sind, wenn die gewichtigsten Spieler der Weltwirtschaft nach gemeinsamen Regeln suchen, hat die Finanzkrise 2008 höchst unsanft in Erinnerung gerufen. Seit damals treffen deshalb die Spitzen von 19 führenden Wirtschaftsnationen, ergänzt um den Präsidenten der EU-Kommission, regelmäßig zusammen. Sie repräsentieren nicht weniger als 85 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung.
US-Präsident Trump nützte den jüngsten G20-Gipfel in Japan zu einer weiteren Demonstration jener Taktik des „divide et impera“, die seinem Narzissmus so entgegenkommt. Bilaterale Treffen mit Xi Jiping, Angela Merkel oder Wladimir Putin sollten wieder einmal alles in den Schatten stellen, was sonst noch am gemeinsamen Konferenztisch besprochen wurde. Der Abstecher nach Nordkorea war die Draufgabe zur Ego-Show.
Ob ihn wohl irgendjemand darauf aufmerksam gemacht hat, dass das Treffen in Osaka mit dem 75. Jahrestag des Abschlusses der Konferenz von Bretton Woods im US-Bundesstaat New Hampshire zusammenfiel – und wie anders die Rolle der Vereinigten Staaten damals war?
Im Sommer 1944 glückte den Vertretern von 44 Ländern nach dreiwöchigen Verhandlungen ein Schlussdokument, in dem die Eckpfeiler der Nachkriegs-Wirtschaftsordnung fixiert wurden. Das Ende des Weltkrieges war damals trotz der erst kurz zuvor geglückten Landung der Alliierten in der Normandie noch nicht endgültig absehbar. Den Vorsitz über die meist bis tief in die Nacht andauernden Gespräche führte John Maynard Keynes, der renommierteste Ökonom seiner Zeit.
Er hatte 1919 als Mitglied der britischen Delegation an den ihr Ziel so tragisch verfehlenden Friedensverhandlungen von Versailles teilgenommen und in einem eigenen Buch („The Economic Consequences of Peace“) vor deren verheerenden Folgen gewarnt. In Bretton Woods wurde er nun zum Architekten jener Wirtschaftsverfassung, die erst den Wiederaufbau Europas und die erfolgreiche Entwicklung der westlichen Welt ermöglichen sollte.
Es war die Geburtsstunde praktisch aller bedeutsamen multilateralen Organisationen, die auch heute den Zusammenkünften der G20 zu zentralen handelspolitischen, finanzpolitischen und ökologischen Themen besonderes Gewicht verleihen: Internationaler Währungsfonds und Weltbank sowie die etwas später gegründete Welthandelsorganisation WTO.
Nach langer Zeit der Bewährung steht heute eine grundlegende Überarbeitung der globalen Spielregeln an. Gefragt ist einerseits ein stabileres, weniger spekulatives Finanzsystem, andererseits eine Handelspolitik, die Staaten mit Aufholbedarf faire Entwicklungschancen gibt. Vor all dem aber muss eine konsequente Klimastrategie stehen, die unseren Planeten auch für künftige Generationen bewohnbar erhält.
Eine zukunftstaugliche Wirtschaftsarchitektur auf Grundlage eines zeitgemäßen „Bretton Woods II“ hätte allerdings wohl erst dann reale Umsetzungschancen, wenn die amerikanischen Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr eine dafür aufgeschlossene Führungspersönlichkeit hervorbrächten.
04. Juli 2019