Im Zweikampf der technologiestarken Rivalen USA und China um die Weltspitze ist Europa ein mit betroffener Dritter. Die künftige EU-Kommission wird schon deshalb in Fragen der Wettbewerbspolitik globaler denken und entscheiden müssen, als das bisher der Fall war.
„Vereint durch dick und dünn gehen“: auf diesen hehren Vorsatz haben sich die EU-Staatschefs in Sibiu/Hermannstadt bei ihrem letzten Treffen vor der Europawahl eingeschworen. So viel guter Wille ist jedenfalls ein wertvolles Startkapital für die Bewältigung all der komplexen Probleme, die auf die künftige EU-Kommission zukommen. Nicht das schwierigste, aber doch eines der wichtigsten davon: wie soll sich Europa am besten im globalen Wettbewerb behaupten? Und welchen Beitrag kann/soll Politik dazu leisten?
Im Zweikampf der technologiestarken Rivalen USA und China um die Weltspitze ist Europa, ob es will oder nicht, ein mit betroffener Dritter. Dabei geht es nicht nur um Wachstumsraten und Leistungsbilanzen, sondern vor allem um Marktmacht. Die von „America First“-Präsident Trump gegen China verhängten Schutzzölle setzen indirekt auch Europa unter Druck. Um die schon vor einiger Zeit angedrohten Zollschikanen gegen die Autoindustrie zu vermeiden, übt man sich in vorauseilendem Gehorsam. Nicht zufällig sind die Importe von amerikanischem Flüssiggas nach Europa seit Sommer letzten Jahres um ganze 180 Prozent angestiegen.
Der Schwur von Sibiu wird jedoch nicht so sehr in der Handelspolitik auf die Probe gestellt werden, als bei konkreten industrie- und wettbewerbspolitischen Entscheidungen mit arbeitsmarkt-, sozial- und steuerpolitischen Auswirkungen auf einzelne Mitgliedsstaaten. Denn wo es um Standortfragen geht, stehen meist sehr konkrete regionale und nationale Interessen am Spiel.
Wohl auch deshalb ist bis heute weitgehend ungeklärt, ob Unternehmens-Zusammenschlüsse nach einem nationalstaatlichen oder europäischen Verfahren zu genehmigen sind. So wurde etwa ein aktuell geplantes Gemeinschaftsunternehmen des oberösterreichischen Autozulieferers Miba mit einem bayrischen Mitbewerber vom deutschen Bundeskartellamt abgelehnt. Hingegen fühlte sich die Europäische Wettbewerbsbehörde dafür zuständig, die Fusion der Bahnsparte des Siemens-Konzerns mit jener der französischen Alstom zu unterbinden. Wenn international wettbewerbsfähige Einheiten erwünscht sind, muss jedenfalls dringend klargestellt werden, wer wirklich über Kartellfragen zu entscheiden hat. Auch wäre sicher zu stellen, dass solche Urteile aus einem möglichst weiten, eben globalen Blickwinkel gefällt werden.
Vergleichbares gilt für die Frage, wer letztendlich über die Zulässigkeit des Ankaufes von Leitbetrieben durch chinesische oder amerikanische Käufer befinden soll. Hier muss einerseits Platz sein für selbstbewusste europäische Strategien. Zugleich dürfen wir uns jedoch nicht abschotten. Und schon gar nicht sollten direkte Unternehmenskäufe durch die öffentliche Hand wieder in Mode kommen. Derartige Begehrlichkeiten waren zuletzt des Öfteren unter dem dafür unzutreffenden Etikett „Industriepolitik“ zu hören.
Genug Stoff zum Nachdenken und Handeln also für die künftige Kommission. Sie wird die am EU-Gipfel beschworene Gemeinsamkeit der Regierungschef gut brauchen können.
16. Mai 2019