Die furche - 265

Der Föderalismus ist uns teuer

Föderalismus mag teuer sein. Ich gestehe jedoch: noch nie war er mir so teuer wie heute!

Früher einmal hieß es augenzwinkernd „Förderalismus“, wenn von der kostspieligen Vielfalt der Bundesländer mit all ihren Mehrfach-Strukturen die Rede war. Als Österreich dann ab 1995 der Europäischen Union angehörte, mündete beinahe jede innenpolitische Reformdiskussion in der Forderung, man möge angesichts der hinzu gekommenen BrüsselerBehörden doch wenigstens eine der vier innerstaatlichen Verwaltungsebenen aufgeben. Wenn schon nicht die Bundesländer, dann wenigsten die Gebietskörperschaften – oder umgekehrt!Bald zeigte sich jedoch, dass dieser Ansatz des Herauslösens einer ganzen Verwaltungsebenen weder realistisch noch sachgerecht ist. 

Umso entscheidender wären ernsthafte Reformen in den wichtigsten Tätigkeitsfeldern deröffentlichen Hand. Bis heute ist allerdings wenig geschehen, um wenigstens das Kompetenz-Wirrwarr etwa im Schulwesen zu vereinfachen. Auch bleiben die subtilen bis unsinnigen Unterschiede in den Bauordnungen der einzelnen Bundesländer ebenso unangetastet wie die feinen Nuancen in der Wohnbauförderung. Selbst bei Materien, die ebenso gut nach einheitlichen Grundsätzen regelbar sein sollten wie im benachbarten Bayern mit seinen 13 Millionen Einwohnern, kommt es nur höchst selten zu Verwaltungsvereinfachungen, die den Namen wirklich verdienen. Einschließlich der mit viel Ambition initiierten Transparenzdatenbank gibt es mittlerweile eine ganze Reihe prominenter Projekte, die durch hartnäckige Prokrastination von einer Legislaturperiode in die jeweils nächste verschleppt werden. 

Es gibt aber auch unterschätzte Sonnenseiten unserer komplexen Institutionenlandschaft, die mir gerade in jüngerer Zeit bewusst werden. Die Stimmen von Landeshauptfrauen und –männern können nämlich höchst wertvoll sein, wenn es etwa darum geht, überschießende Maßnahmen einer Bundesregierung zu verhindern oder geradezubiegen. Das zeigt sich aktuell an der parteiübergreifenden Kritik aus mehreren Bundesländern an der Kürzung des Stundenlohns für Asylanten-Arbeit auf eineinhalb Euro pro Stunde. Oder am Widerstand gegen die sozialpolitisch gänzlich kontraproduktive Idee einer Kürzung der Mindestsicherung um private Spendenleistungen. Selbstbewusste Bundesländer in all ihren unterschiedlichen Regierungskoalitionen erweisen sich hier in unserer Realverfassung als durchaus wertvolles Korrektiv.

Bundesländer sind überdies soziale Gebilde mit spezifischen politischen Traditionen, die für regionale Verbundenheit und Bodenhaftung sorgen. Sie setzen eigenständige Initiativen nicht nur in der Wirtschaftsförderung, sondern auch in Fragen der Bildung, der Kultur und des sozialen Zusammenhalts. Sie verhindern damit eine noch stärkere Ausdünnung des ländlichen Raumes. Gegen Gelbwesten-Bewegungen nach dem Muster des zentralistischen Frankreich gibt es deshalb wohl kein besseres Rezept als selbstbewusste Regionen mit „gestandenen“ politischen Persönlichkeiten. 

Föderalismus mag teuer sein. Ich gestehe jedoch: noch nie war er mir so teuer wie heute!

18. April 2019

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