Bei gutem Willen müssen in der Frage der Asylanten-Lehrlinge mitmenschliche und rechtsstaatliche Prinzipien in keinem Widerspruch zueinander stehen.
In einem Rechtsstaat muss es regelgebunden zugehen: Gleiches Recht für Alle, ohne Ansehen der Person. Andererseits: weder dem Rechtsstaat und schon gar nicht der Gerechtigkeit ist gedient, wenn wir uns selbst in besonders berücksichtigungs-würdigen Ausnahmefällen auf regelhafte Grundsätze zurückziehen und uns damit gleich auch die Auseinandersetzung mit Einzelschicksalen ersparen. Das kann mit dem Grundsatz „Ohne Ansehen der Person“ jedenfalls nicht gemeint sein!
Warum diese weit ausholende Einleitung? Ganz einfach, weil mir das Problem der Abschiebung von Lehrlingen, die als Flüchtlinge eine Beschäftigungsbewilligung erhalten haben und sich mustergültig integrieren, dann aber keinen Asylstatus bekommen haben, keine Ruhe lässt. Es geht dabei um nicht weniger – aber auch um nicht mehr – als etwa 950 „Einzelfälle“ und ich halte es – bei allem Respekt vor den Mega-Themen rund um den EU-Vorsitz – für ein Gebot der Stunde, dieser dringenden humanitären Frage seitens der Bundespolitik mit kühlem Kopf, so unparteilich wie möglich, unverzüglich die ihr gebührende Aufmerksamkeit zu schenken, um zu menschlich verantwortbaren Lösungen zu kommen.
Dank einer Petition des oberösterreichischen Landesrates Rudi Anschober gibt es dazu mittlerweile eine breite öffentliche Diskussion. Umfragen zeigen, dass eine deutliche Mehrheit der Menschen in unserem Land quer über alle politischen Zugehörigkeiten gegen derartige Abschiebungen ist. Zahlreiche Unternehmen, viele Gemeinden, eine Reihe von prominenten Testimonials und insgesamt schon an die 60.000 Personen haben diese Meinung mit ihrer Unterschrift bekräftigt.
Natürlich ist die Sachlage komplizierter als ein simples Ja oder Nein. Zudem ist die Stimmung in solchen Fragen meist polarisiert. Aber es gibt durchaus Lösungen, die es ermöglichen, trotz liberalerer Handhabung den notwendigen Schutz der EU-Außengrenzen vor unkontrollierter Zuwanderung nicht aufzuweichen. Entscheidend dafür wäre die Festlegung eines Stichtags, innerhalb dessen als ausdrückliche Ausnahme für die in diesem Zeitraum zugewanderten Menschen eine freiere Handhabung der Aufenthaltsgenehmigung möglich wird. Damit könnte den durchaus ernstzunehmenden Ängsten begegnet werden, dass lax gehandhabte Ausnahmebescheide ein Signal an Schlepper wären, ihren Opfern wieder falsche Hoffnungen zu machen.
Parallel dazu wäre ein Zuwanderungsgesetz zu entwickeln, welches analog zu ähnlichen Überlegungen in Deutschland eine gezielte Aufnahme von ausländischen Arbeitskräften vorsieht – über die bisher schon mögliche Rot-Weiss-Rot-Card hinaus.
Nicht nur die betroffenen Lehrlinge, auch all jene, die sie seit ihrer Zuwanderung unterstützen und ihnen die erwünschte Integration leichter machen, verdienen sich in dieser Frage mehr Ernsthaftigkeit. Bei gutem Willen müssen mitmenschliche und rechtsstaatliche Prinzipien in keinem Widerspruch zueinander stehen. Es wäre deshalb lieb- und phantasielos, in der bisher praktizierten Ausnahmslosigkeit zu erstarren.
30. August 2018