Das einzig Sichere in Zeiten steigender Unsicherheit scheinen die Dividenden-versprechen der Rüstungsindustrie zu sein.
Die theatralischen Drohgebärden des amerikanischen Präsidenten und seine durchschaubare Taktik, entgegen aller diplomatischen Gepflogenheiten immer gleich zum groben Keil zu greifen, zeitigen im wahrsten Sinn des Wortes durchschlagende Erfolge. Am Ende des letztwöchigen NATO-Gipfels, an dessen Beginn aggressive Tiraden gegen die deutsche Bundeskanzlerin und Austrittsdrohungen der USA aus dem Militärbündnis standen, verpflichteten sich alle Teilnehmerstaaten gehorsam zur zügigen Aufstockung ihrer Militärbudgets auf zwei Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung – eine Zielgröße, auf die man sich allerdings schon 2014 geeinigt hatte.
Jens Stoltenberg, der Generalsekretär des Sicherheitsbündnisses, lobte Donald Trump ob seines Engagements für höhere Rüstungsausgaben. Kanada und die europäischen Mitgliedsstaaten hätten seit seinem Amtsantritt schon über 40 Milliarden zusätzlich investiert. Am Ende der Tagung brachte der US-Präsident sogar eine künftige Größenordnung von vier Prozent ins Spiel.
Nun sei durchaus zugegeben, dass es einem Österreicher nicht gut ansteht, in dieser Diskussion überhaupt Position zu beziehen. Denn als Trittbrettfahrer jenes Verteidigungsbündnisses, dem wir nicht zuletzt die Ostöffnung zu verdanken haben, versuchen wir ja, mit einem unterkritisch niedrigen Bundesheer-Budget von nur 0,65 Prozent des Bruttosozialprodukts davon zu kommen.
Dennoch: es gibt wahrlich Anlass für Ent-Rüstung und tiefe Enttäuschung darüber, dass die Zeiten der einvernehmlichen Abrüstung und einer der Allgemeinheit zu Gute kommenden Friedensdividende offensichtlich vorbei sind. Alle Signale, die derzeit von der politischen Führung des Westens ausgehen, sind eine klare Aufforderung an Russland, China und sonstige machtambitionierte Regime, den Rüstungswettlauf ebenfalls auf die Spitze zu treiben. Das einzig Sichere in Zeiten steigender Unsicherheit scheinen die Dividendenversprechen der Rüstungsindustrie zu sein.
Die Geschwindigkeit, mit der neue Gelder für Waffen aufzutreiben sind, unterscheidet sich provokant von dem Schneckentempo, in dem Gelder für Flüchtlings-Hilfsprogramme mühsam zusammengebettelt werden müssen. Von großvolumigen Aufbauprogrammen in den Herkunftsländern der Migranten ganz zu schweigen. Dabei entsprechen die derzeit in Rede stehenden Mehrausgaben für Rüstung in ihrem volkswirtschaftlichen Gewicht annähernd dem, was seinerzeit, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, im Rahmen des höchst erfolgreichen Marshall-Plans für die Befriedung und den Wiederaufbau Europas eingesetzt wurde.
Für die Beseitigung der Folgeschäden vielfach verfehlter amerikanischer Militär-Interventionen im arabischen Raum wie im Nahen Osten wäre heute ein ähnlich hoher Mitteleinsatz erforderlich. Stattdessen verschießt man das Pulver für Rüstungsausgaben. Und Europa schweigt dazu. Wir organisieren zwar gemeinsame Außengrenzen – von einer eigenständigen Außen- und Friedenspolitik sind wir jedoch noch meilenweit entfernt.
19. Juli 2018