Die höheren Budgetdefizite in Europa hatten in der Finanzkrise ihre eigentliche, entscheidende Ursache. Diese Tatsache wird jedoch meist verdrängt.
Vor siebzig Jahren, am 20.Juni 1948, beendete die Einführung der D-Mark das Elend der Bezugsschein-Wirtschaft im Nachkriegs-Deutschland. In alten Reichsmark gehaltenes Geldvermögen wurde damals praktisch wertlos, stattdessen gab es für jeden Haushalt 40 DM in neuen Scheinen. Diese waren zunächst in den USA gedruckt worden, bevor im selben Jahr die neu gegründete Deutsche Bundesbank währungspolitische Eigenverantwortung übernehmen durfte. Zugleich entschied Wirtschaftsminister Ludwig Erhard für die Freigabe der Preise von Konsumgütern und stellte damit die Weichen für das bald darauf einsetzende „Wirtschaftswunder“.
Schon 1923 war die deutsche Währung als Spätfolge des Ersten Weltkrieges einmal kollabiert und hatte zur Enteignung all jener Sparer geführt, die ihr Vermögen nicht in Sachwerte investiert hatten. Von der prägenden Erinnerung an diese beiden, nur 25 Jahre auseinanderliegenden Geld-Katastrophen war und ist die vorsichtige Haltung unserer Nachbarn gegenüber allen Währungs-Experimenten geprägt, seit der Euro 1999 die D-Mark ablöste. Schon deshalb sind währungspolitische Un-Zumutbarkeiten gegenüber einer Volkswirtschaft, die ohnehin überproportional große Risiken eines Euro-Scheiterns zu tragen hätte, kontraproduktiv. Es hat nun einmal gute Gründe, warum die budgetpolitische Verantwortung trotz gemeinsamer Geldpolitik bei den Mitgliedsstaaten zu verbleiben hat, solange Europa kein Bundesstaat mit gemeinsamer Fiskalpolitik ist.
Als 2008 die Budgetdefizite praktisch aller Euroländer infolge der Finanzkrise explodierten, musste dieser Grundsatz durch die Einrichtung von Rettungsschirmen und Anleihekäufen der EZB faktisch durchbrochen werden, um den Zerfall von Euroland zu verhindern. Zugleich verdrängte man jedoch die Finanzkrise als den eigentlichen Auslöser der Misere und agierte so, als wären die sprunghaft höheren Defizite von leichtfertigen Finanzministern mutwillig herbeigeführt worden. Man verbiss sich in den selbstauferlegten Zwang, in das nun erst recht zu enge Korsett der 60-prozentigen Schulden-Höchstgrenze zurück zu schrumpfen. Damit verlor das Regelwerk insgesamt an Glaubwürdigkeit. Für einen Staat wie Italien erwies es sich sogar als krankmachende Über-Medikation. Das politische Ergebnis ist bekannt.
Dennoch ist der Euro eine Erfolgsgeschichte. Er hat sich als wirksames Instrument gegen innereuropäische Abwertungskonkurrenz und Inflation erwiesen. Angesichts einer mittlerweile offen Europa-feindlichen Politik der mit dem Dollar über die dominierende Weltwährung verfügenden USA ist seine langfristige Absicherung wichtiger denn je zuvor. Wenn sie gelingen soll, bedarf es allerdings einigen Mutes zur Erneuerung überholter Spielregeln. In Verbindung mit einem leistungsstarken Europäischen Währungsfonds und einem EU-Budget für gemeinsame Sicherheits-, Infrastruktur- und Bildungsprojekte könnte daraus eine Reform werden, die von den Bürgerinnen und Bürgern der Mitgliedsländer wieder verstanden und mitgetragen wird.
18. Juni 2018