die furche - 235

Kryptowährungen als Ersatzreligion

 

Rund um die dezentrale Computer-Technologie der „Blockchain“ entstanden in den letzten Jahren spannende, meist noch experimentelle Anwendungsfelder. In der Geldwirtschaft geht es dabei einerseits um Überweisungsvorgänge und andererseits um – nicht umsonst so bezeichnete – „Krypto“-Währungen.

Eine erste Zwischenbilanz zeigt, dass sich die Erwartungen in einen von Banken unabhängigen, extrem kostengünstigen Zahlungsverkehr nicht erfüllt haben. Die hochgejubelte Technik ist mit ihren langen Überweisungszeiten jener der gebräuchlichen Zahlungsplattformen deutlich unterlegen und überdies teuer. Blockchain-basierte Überweisungen können aber dort ein letzter Strohhalm sein, wo es – meist aus politischen Gründen – kein funktionierendes Bankensystem mehr gibt, wie etwa in Venezuela oder Zimbabwe.

Die Vision, von Staaten und Notenbanken unabhängige, gewissermaßen anarchische Geldsysteme zu schaffen, ist als solche nicht neu. Sie fand schon in Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek einen ihrer frühen, paläoliberalen Befürworter. Spätestens seit der exorbitanten Wertsteigerung von Bitcoin, der bekanntesten dieser Kunst-„Währungen“, ist sie zu einem zentralen Thema in der Diskussion um die Zukunft unseres Finanzsystems geworden. Zwischenzeitige massive Kurseinbrüche tun dem Hype keinen Abbruch. Schon tummeln sich mehrere Hundert aus dem Nichts imaginierte Pseudowährungen im Windschatten des Bannerträgers.

Die Anhänger der Fiktion gänzlich virtuellen Geldes lassen sich im Verein mit risikofreudigen Spekulanten und naiven Anlegern zum Mitmachen bei allerlei smarten Pseudo-Geschäftsmodellen verleiten. Absichtslos verschaffen sie damit auch jenen Rückendeckung, die Kryptowährungen vor allem für dunkle Geschäfte rund um Drogen- oder Waffenhandel und Schwarzgeld-Transfer einsetzen. In der unübersichtlichen Szene finden sich mehr oder weniger raffinierte Betrügereien neben grenzgenialen Versuchen, die Gesetze der ökonomischen Schwerkraft hinter sich zu lassen.

Noch so angesehene Ökonomen können davor warnen, dass solche Höhenflüge allesamt böse enden werden: die Ikarusse des Finanzwesens sind längst eine verschworene Gemeinschaft von Glaubenden. Auch immer wieder auftretenden Hacker-Angriffe und digitale Raubzüge in Datenbeständen mit Pseudogeld ändern nichts an der neugierigen Begeisterung jener, die es lieber nicht so genau wissen, sondern einfach dran glauben wollen. Wie jene Bedauernswerten, die nun dran glauben müssen, weil sie sich ausgerechnet in der Event-Pyramide von Vösendorf bei Wien in einer dubiosen Massenveranstaltung dazu hinreißen ließen, ihr mühsam Erspartes in ein Bitcoin-Pyramidenspiel zu investieren. Ernüchtert berichten die Gelackmeierten, es sei dort „wie in einer Sekte“ zugegangen.

Ob die Aufdeckung dieses windigen Großbetrugs etwas daran ändern wird, dass die Ersatzreligionen einer Geldwirtschaft, die seit der Finanzkrise noch nicht wirklich zur Ruhe gekommen ist, ungehindert weiterwuchern dürfen? Noch so eine Glaubensfrage!

01. März 2018

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