„Wenn Sie verstanden haben, was ich meine, muss ich mich falsch ausgedrückt haben“. Dieses rhetorische Eingeständnis, in seiner Funktion als Herr des Geldes eigentlich nur verschlüsselt reden zu dürfen, wird Alan Greenspan, dem früheren Präsidenten der amerikanischen Notenbank FED, zugeschrieben. In der Tat wäre es in dem von Erwartungen geprägten, globalen Finanzwesen mitunter kontraproduktiv, zu Entscheidungen über Zinshöhe und Geldmenge immer alle Karten auf den Tisch zu legen. Auch Europas Notenbanker halten sich deshalb zumeist an die philosophische Empfehlung Ludwig Wittgensteins: „Wovon man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen“.
So dient etwa das Anleihen-Ankaufsprogramm der Europäischen Zentralbank schon längst nicht mehr dem ausgeschilderten Ziel, die Inflation in Richtung zwei Prozent zu treiben. Es sichert vielmehr den Zusammenhalt der Eurozone, indem die Anleihekosten gerade auch schwächerer Mitgliedsstaaten niedrig gehalten werden. Außerdem lässt sich damit das Verbot direkter Käufe von Staatsanleihen umgehen. Aber das darf eben nicht ausgesprochen werden, selbst wenn es gute Gründe für das bisherige Vorgehen gibt.
Die bisherige Strategie, mit der Zeit für grundlegendere Reformen von Euroland gekauft wurde, wird allerdings mit dem für Herbst geplanten Auslaufen der EZB-Anleihekäufe ausgereizt sein. Soll es zu keiner neuerlichen Verunsicherung der Gläubiger hoch verschuldeter Euro-Mitgliedsstaaten kommen, muss bis dahin ein glaubwürdiger Weg zur Zukunftssicherung des gemeinsamen Währungsraumes aufgezeigt sein.
Zwar haben sich die aus der Not der Euro-Schuldenkrise geborenen Rettungsschirme durchaus bewährt. Immerhin vier von fünf Staaten bestehen nach der Erfüllung strenger Auflagen wieder eigenständig auf den internationalen Kapitalmärkten. Im nächsten Schritt jedoch muss die Abhängigkeit vom internationalen Währungsfonds abgeschüttelt und aus dem permanenten Schutzschirm ESM ein eigenständiger Europäischer Währungsfonds werden, der im Zusammenspiel mit der EZB für Finanzmarktstabilität sorgt. Den internationalen Kapitalgebern gegenüber wäre dieses Missing Link zwischen Geldunion und Fiskalunion eine Garantie für den dauerhaften Bestand von Euroland.
Parallel dazu steht die Überarbeitung der von der Wirklichkeit längst überholten Maastricht-Regeln zur Staatsverschuldung an. Ihre glaubhafte Erneuerung ist unaufschiebbar, wenn die budgetpolitische Eigenständigkeit aller Mitgliedsstaaten erhalten bleiben soll.
Für Juni ist deshalb ein EU-Reformgipfel anberaumt, bei dem weichenstellende Entscheidungen für eine zukunftssichere Euro-Architektur zu treffen sind. Österreich wird als EU-Vorsitzland bei deren Umsetzung eine bedeutende Rolle spielen. Spätestens dann wird sich auch weisen, ob es nicht allzu großzügig war, dem freiheitlichen Koalitionspartner dessen Verbleib in der anti-europäischen Nationalisten-Fraktion des Europaparlaments zuzugestehen. Aber vielleicht gehört das zu den Dingen, bei denen man sich besser an Wittgenstein hält.
01. Februar 2018