„Social Media“ erleichtern unsere Kommunikation – sie bringen jedoch überall dort, wo sie traditionelle Medien ablösen, auch massive Nachteile mit sich. Denn der Chance, sich leichter Gehör zu verschaffen und im Netz Verbündete zu finden, steht die Gefahr gegenüber, dass wichtige Wahrheiten in all der Kurzatmigkeit des Informationsaustausches verloren gehen.
Der öffentliche Raum ist heute weiter aufgespannt und zugleich engmaschiger denn je zuvor. Wurde die Meinungsuniformität früherer Jahre zunächst durch eine begrüßenswerte Medienvielfalt abgelöst, entwickelt sich mittlerweile ein Wildwuchs an digitaler Kommunikation, der ganz neue Formen einer gewissermaßen fragmentierten Uniformität hervorbringt. Isolierte Meinungs-Communities mit ihren je eigenen Informationsquellen erfahren von den Standpunkten Anderer, selbst wenn sie dafür offen wären, nur wenig. Meist ernähren sie sich von vorportionierten Informationshappen, die sie in ihrer jeweiligen Festlegung noch verstärken. Immer ausgefeiltere Informationstechniken verstärken die daraus erwachsende Einflussmacht halber Wahrheiten.
Zwischen „Gefällt mir“ und „Gefällt mir nicht“ bleibt kaum Platz für Differenzierung und Zwischentöne. Der gehobene oder gesenkte Daumen täuscht jedoch Meinungsmacht nur vor. Denn noch so sportliche Slalomläufe durch einen eng gesteckten Kurs von Meinungstoren können „umständliches“ Nachdenken nicht ersetzen. Und die beschränkte Silbenzahl der Kurz-Nachrichtendienste lässt schon gar keinen Platz für ausgewogene Gedanken.
Was all das für die Qualität unserer Demokratie bedeutet, wurde in der bisherigen Diskussion um den häufigeren Einsatz von Volksabstimmungen, die erfolgreichen Volksbegehren verbindlich nachzufolgen haben, nicht beleuchtet. Die Frage, ob es das Gemeinwesen wirklich voranbringt, sich in Zukunft mehr auf Schwarmintelligenz zu verlassen, ist offen geblieben.
Das stimmenstärkste aller bisherigen Volksbegehren, jenes gegen die Errichtung des Wiener Konferenzzentrums, mobilisierte 1982 mehr als ein Viertel aller Wahlberechtigten. Eine nachfolgende Volksabstimmung hätte das Projekt möglicherweise zum Kippen gebracht und damit die Ansiedlung der UNIDO in der Hauptstadt des neutralen Österreich verhindert. Wohl nur Wenige würden heute noch behaupten, eine solche Ablehnung wäre zum Vorteil des Landes gewesen.
Sollte es zu der für verbindliche Volksabstimmungen erforderlichen Verfassungsmehrheit kommen, werden wir jedenfalls ein intensives bildungs- und medienpolitisches Begleitprogramm brauchen. Denn Meinungsunterschiede auszuhalten, auf Denkansätze hören, die sich aus anderen Traditionen herleiten, einander Zeit zum Nach- und Weiterdenken geben: das sind Umgangsweisen, die man am besten früh übt.
Aber wer weiß: vielleicht wird die Forderung nach einer Bildungsinitiative für Medien-Mündigkeit zum Gegenstand eines der ersten „neuen“ Volksbegehren. Für die nachfolgende Volksabstimmung wäre ich vorsichtig optimistisch.
14. Dezember 2017