Nach den „Panama-Papers“ nun also die „Paradise Papers“: Wieder hat ein internationales Journalisten-Konsortium Dokumente ans Licht gebracht, mit denen sich systematische Umgehungen von steuerlichen Verpflichtungen durch vermögende Private und internationale Großunternehmen nachweisen lassen. Auch der Name jenes Wolfgang Flöttl ist dabei aufgetaucht, für dessen milliardenschwere Verlustgeschäfte sich im seinerzeitigen BAWAG-Prozess niemand interessieren wollte.
Diesmal stammen die Unterlagen aus einem auf den Bermudas angesiedelten Beratungsunternehmen, das praktischerweise auch Niederlassungen auf den Virgin Islands, Jersey, Mauritius und den Seychellen unterhält. Dessen hoch profitables Oasen-Geschäftsmodell ist simpel: man bietet Kunden aus aller Welt unter dem Siegel der Verschwiegenheit komplexe Rechtskonstruktionen zur Minimierung oder gar gänzlichen Vermeidung von Steuerzahlungen an.
Das Kunststück besteht im Austanzen sämtlicher, gerade noch als legal darstellbarer Möglichkeiten der Steuervermeidung. Dabei gilt es, den Anschein zu wahren, man bewege sich auch dann noch im Rahmen der geltenden Gesetze, wenn von Legitimität des Handelns längst nicht mehr die Rede sein kann. Gerade weil die Gesetzeslage derart komplex und zwischenstaatlich widersprüchlich ist, finden hoch bezahlte Spezialisten immer neue Umgehungs-Konstrukte, die im Ernstfall unangreifbar sind. Aber nicht alles was Recht ist, ist rechtens.
Jeder Versuch, das lukrative Verschleierungs-Business einzudämmen, scheitert bisher entweder am gegenläufigen Interesse anderer Staaten, am Festhalten an dem angeblich so gesunden internationalen Steuerwettbewerb oder an der Obstruktion durch Politiker, die nicht selten von den Zuwendungen der Hinterzieher abhängen.
Den EU-Mitgliedsstaaten entgehen durch Steuerbetrug auf Kosten aller ehrlichen Steuerzahler und der Masse der steuerehrlichen kleineren und mittleren Unternehmen jährlich weit über 60 Milliarden Euro. Diesem Übel ist durch noch so raffinierte legistische Bemühungen auf nationaler Ebene allein nicht beizukommen. Nur internationale Abkommen über ein Mindestmaß an Transparenz darüber, wo welche Gewinne wie hoch versteuert werden, brächten Abhilfe. Unabdingbar wäre auch eine einvernehmliche Untergrenze der Besteuerung. Gesamteuropäische Einigungen über solche Reformschritte werden jedoch allein schon dadurch erschwert, dass es innerhalb der EU selbst – von Luxemburg über Holland bis Malta und Großbritannien – genügend Steueroasen gibt, die am skandalösen Status Quo festhalten wollen.
Ausgerechnet Österreich bremst aus nicht nachvollziehbaren Gründen die aktuellen Bemühungen der Union um eine Verschärfung der Transparenz-Vorschriften – in schlechter Gesellschaft mit Malta, Zypern und Konsorten. Caritas-Direktor Michael Landau trifft deshalb ins Schwarze, wenn er die künftige Bundesregierung auffordert, die Auswanderung in Steueroasen mit mindestens demselben Eifer einzudämmen wie die Einwanderung ins Sozialsystem.
16. November 2017