Warum nur wird der Prozess der Neubildung einer Regierung immer wieder so aufgesetzt, als käme man von einem anderen Stern? Muss es wirklich “Sicherheit, Ordnung und Heimatschutz“ heißen, worum sich einer von fünf so genannten „Clustern“ in den soeben anlaufenden Regierungsverhandlungen bemüht – hätte nicht „Innere und Äußere Sicherheit“ als Überschrift ausgereicht? Gibt es einen Grund, warum Umwelt und Landwirtschaft unter „Zukunft“ verhandelt werden, nicht jedoch Verkehr, Energie oder Infrastruktur?
Ist es kleinlich, wenn ich erwarten würde, dass den Verhandlungsteams mehr Persönlichkeiten mit politischer Erfahrung oder nachgewiesener Umsetzungsqualität in der Führung von Organisationen oder Unternehmen angehören sollten? Gibt es einen vernünftigen Grund dafür, warum die Leiter/innen der Themenbündel mit den Mitgliedern des übergeordneten Regierungs-Verhandlungsteams, von dessen Zusammensetzung wir zu Beginn letzter Woche erfahren haben, mit wenigen Ausnahmen nicht ident sind?
Wenn im Rahmen der „Cluster“ fünfundzwanzig Fachgruppen gebildet werden, deren sechs, je zur Hälfte von ÖVP und FPÖ entsandten Expert/innen keinen Verhandlerstatus haben: warum wird dann ausgerechnet „Finanzen und Steuern“ als zentrales, alle Bereiche beeinflussendes Gebiet erst auf dieser dritten, untersten Ebene der Verhandlungshierarchie angesiedelt, als ginge es um auch nicht viel mehr als bei der Fachgruppe „Sport“?
Und Europa? Immerhin kommt es vor, nämlich gemeinsam mit der Außenpolitik als Fachgruppe im Rahmen des Clusters „Staat und Gesellschaft“. Dieses wird seitens der Europa-Partei ÖVP vom langjährigen Klubsekretär der FPÖ und späteren Rechnungshof-Präsidenten verhandelt. Im Vorfeld eines EU-Vorsitzjahres kann das nicht als ambitioniert durchgehen.
Jede Chance für Neues, wie könnte es anders sein. Ich will mich gerne überraschen lassen. Aber allzu originell sollte das Regierungsbildungs-Prozedere auch wieder nicht sein. Der Ansatz, möglichst viele Bälle in die Luft zu werfen und dann auf überraschende Ergebnisse zu setzen, ist riskant. Schließlich geht es um nicht weniger als die kommenden fünf Jahre unseres Landes in einem zunehmend unsicheren Umfeld.
Wenn es dann zur Verteilung von konkreter Verantwortung für Ministerien kommt, hoffe ich auf pragmatische Lösungen statt der bisher üblichen parteilichen Rochaden, die nicht selten in den letzten Stunden von Koalitionsverhandlungen zu schwer begründbaren Ressortverschiebungen geführt haben – etwa als vor gut drei Jahren die Wissenschaft der Wirtschaft zugeschlagen wurde.
Die erfrischende Einfachheit des Schweizer Regierungssystems mit seinen immer gleichen sieben Ministerien, deren Verantwortliche von den politischen Parteien entlang ihrer parlamentarischen Kräfteverhältnisse entsandt werden, mag für unser Land utopisch sein. Aber mehr Nüchternheit und weniger Polit-Marketing könnten auch hierzulande gut tun. In den kommenden Wochen kommt es nicht auf das Schauspiel an. Das richtige Stück wollen wir sehen.
02. November 2017