DIe furche - 224

(K)eine Anleihe bei der Zukunft

 

Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts war die politische und wirtschaftliche Zuversicht schon einmal so hoch, dass sich genügend Käufer für Anleihen mit sehr langen Laufzeiten fanden. Auf einen eindrücklichen Beleg dafür stieß ich schon während meiner Studienzeit in einer auf einem Flohmarkt erworbenen Wiener Wochenzeitung aus 1894. Man empfahl dort wortreich den Ankauf drei-prozentiger Schuldtitel der soeben verstaatlichten Südbahn-Gesellschaft. Die Verzinsung wurde als ausreichend angesehen, um den Nachteil auszugleichen, dass der Käufer – so die wörtliche Formulierung von anno dazumal – „im ungünstigsten Falle mit der Eventualität zu rechnen hat, dass er den Nominalwert erst 1968 ausbezahlt erhält.“ Wer konnte schon wissen, dass sich in den 74 Jahren bis dorthin zwei Weltkriege und zwei Totalentwertungen allen Geldes ereignen würden?

Nun hat Österreich als erstes Land in Europa vor wenigen Tagen eine große Staatsanleihe mit hundertjähriger Laufzeit platziert. Die Verzinsung beträgt 2,1 Prozent, das platzierte Volumen von 3,5 Milliarden Euro hätte aufgrund der großen Nachfrage locker dreimal untergebracht werden können. Für gut ein Prozent der insgesamt in die Nähe von 300 Milliarden Euro wachsenden Staatsschuld lässt sich damit das derzeit extrem günstige Zinsniveau absichern. Für die Käufer der Anleihen – meist auf solide Mindestverzinsungen angewiesene Pensionskassen und Versicherungen – ist das angesichts der außergewöhnlichen Laufzeit mehr als bescheidene Zinsversprechen Anreiz genug, sich derart lange zu binden.

Man kann in der erfolgreichen Emission jedoch auch einen Vertrauensbeweis in den Euro sehen. Wie immer er sich weiterentwickelt und möglicherweise eines ungewissen Tages sogar in unterschiedliche Zonen aufspalten mag: die Gläubiger gehen davon aus, dass selbst eine solche Währungs-Migration nicht mit einem gleichzeitigen Wertverlust verbunden wäre, wie er nach der Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre eingetreten war. Sie vertrauen zudem darauf, ihre Anleihe während der gesamten Laufzeit jederzeit an Dritte weiterverkaufen zu können – möglicherweise mit Kursverlusten, jedoch ohne Abstriche vom geschuldeten Nominalbetrag. Zugleich honorieren sie, dass die Finanzkrise dank der Reaktion der Notenbanken und besonnenen Regierungshandelns ohne eigentlichen Systembruch bewältigt werden konnte.

Dass Gläubiger aus aller Welt – auch im Namen ihrer künftigen Rechtsnachfolger – nicht daran zweifeln, ihr soeben an den österreichischen Staat verliehenes Geld am 12. September 2117 verlässlich zurück zu erhalten, ist erfreulich. Wir sollten uns auf diesem Vertrauensvorschuss jedoch nicht ausruhen. Die Nullzinsenpolitik der Notenbanken geht zu Ende, die Belastung des Staatshaushalts mit Zinszahlungen wird nach einer Atempause wieder ansteigen. Wenn wir keine Anleihe bei der Zukunft unseres Landes nehmen wollen, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt, mit dem Abbau des Jahrhundert-Schuldenbergs zu beginnen.

21. September 2017

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