die FUrche - 215

Auge zu und durch

 

Die örtliche Trachtenmusik aus dem schönen Alpbach als Klangkulisse für den Auftritt der dort tagenden Landeshauptleute im ORF-Morgenjournal am vergangenen Freitag. Aufgeregt-verschlüsselte Statements von Parteifreunden des vor zwei Tagen zurückgetretenen Vizekanzlers darüber, wie es nun weitergehen soll. Am Sonntagabend dann die überraschend zügige Einigung auf ein kühnes „Augen zu und durch“.

Warum ist es eigentlich üblich geworden, dass Spitzenpolitiker dann, wenn es ihnen reicht, alles hinwerfen, ohne Vorinformation an die eigenen Leute oder gar den Regierungspartner? Nicht nur VP-Vizekanzler tun das, auch SP-Bundeskanzler wählen seit Faymann diese Form des abrupten Abgangs. Warum häuft sich das so? Bei allem Respekt vor den jeweiligen persönlichen Gründen: sollte der Abgang aus hochrangigen öffentlichen Funktionen nicht doch mit einer dem Gewicht der Aufgabe entsprechenden Professionalität erfolgen? Alles geht so schnell, dass man gar nicht dazu kommt, Antworten auf solche Fragen zu suchen.

Innerparteilicher Machtwechsel unter strittigen Vorzeichen gehört jedenfalls immer schon zum politischen Geschäft. Auf Basis eines kleinsten gemeinsamen Nenners an Werte-Überzeugungen und Zukunftsideen suchen Menschen zunächst Verbündete zur Umsetzung ihrer Ideen. Sie mehren ihren Einfluss, schließen Kompromisse und lernen mit politischer Routine zu leben. Mit den Jahren geht der Elan verloren und die Verteidigung einmal eroberter Positionen verbraucht alle Energie. Aus solchen Situationen entsteht das Drängen auf einen Neubeginn.

Das war schon in den frühen Jahren meines politischen Erinnerungshorizonts so, als Josef Klaus als ÖVP-Parteiobmann und Bundeskanzler einer Alleinregierung an die Macht kam, wenig später Bruno Kreisky es schaffte, seine Partei neu zu erfinden und bald darauf Erhard Busek in Wien mit seinen „Bunten Vögeln“ alles erfrischend anders machte. Damals wie heute treten die, denen man Erneuerung zutraut, stets mit weitreichenden personellen und inhaltlichen Vollmachten an. Das ist bei Kern nicht anders als bei Kurz.

Darin, dass beide eine neue Politikergeneration repräsentieren, liegt eine Chance. Im gemeinsamen Europa sozialisiert könnten sie unkonventionelle Wege beschreiten und einen Wahlkampf führen, der sich dem längst zu eng gewordenen Links-Rechts-Schema entzieht. Wird es ihnen gelingen, auf das „Business as usual“ gegenseitiger Abwertungen zu verzichten und sich stattdessen auf eine faktenbasierte Auseinandersetzung über taugliche Lösungswege einzulassen?

Ob es um die Reparaturbedürftigkeit des europäischen Projekts geht, die Reformblockade im Bildungssystem, die überbordend komplexen Verwaltungsstrukturen oder die „Disruption“ traditioneller Formen des Erwerbslebens durch neue Technologien: zu all diesen Themen wäre unideologische Ernsthaftigkeit gefragt. Nur so lassen sich die mächtigen Kartelle des Verharrens aufbrechen.

Zum Wesen der Demokratie gehört die Fähigkeit zur Selbsterneuerung. Vielleicht erleben wir das gerade. 

18. Mai 2017

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