So durchwachsen dieser spätwinterliche April auch gewesen sein mag – der Konjunktur-Frühling ist nicht aufzuhalten. Auch wenn sich im Rückblick sämtliche Aufwärts-Prognosen der Wirtschaftsforscher der vergangenen Jahre als zu optimistisch erwiesen haben: diesmal wollen wir ihnen glauben, dass die Wachstumsschwäche überwunden ist. Und, ja, das ist eine gute Nachricht! Denn wenn auch längst unbestritten ist, dass die Veränderung des Bruttosozialproduktes, die wir in Wachstumsraten abbilden, keine allein seligmachende Messzahl sein kann, dient sie doch als Anhaltspunkt, an dem sich der Zustand einer Volkswirtschaft ablesen lässt: ob die Kaufkraft steigt, ob Arbeitsplätze geschaffen werden, ob die Stimmung in den Unternehmen gut ist, kurz: ob etwas weitergeht.
Seit der 1972 veröffentlichten Studie des „Club of Rome“ über „Die Grenzen des Wachstums“ gehören Umwelt und Ressourcenschonung zur unverrückbaren Voraussetzung verantworteten Wirtschaftens. Soziale Marktwirtschaft schließt die ökologische Dimension untrennbar mit ein. Mit der Finanzkrise ist eine weitere Grenze sichtbar geworden: unlimitiertes Wachstum des Finanzkapitals und der ihm entsprechenden Schuldenberge kann das Wirtschaftssystem jederzeit zum Kippen bringen. Wir müssen deshalb dafür Sorge tragen, dass Großbanken und Kapitalmärkte wieder auf ihre Kernaufgabe zurückgeführt werden, realen Wohlstand zu fördern, statt zu Selbstbedienungsläden für Spekulationsexperten zu verkommen. Denn Wertschöpfung ist nun einmal wichtiger als Geldschöpfung.
Unter der Voraussetzung strikter Rücksichtnahme auf diese umwelt- und finanzpolitischen Grenzen des Wirtschaftens gehöre ich zu jenen, die sich über die Rückkehr des Wachstums freuen.
Man muss sich mit dieser Erklärung natürlich nicht zufrieden geben. Anhänger des Ent-Wachsens und der danach benannten „Degrowth“-Bewegung fordern vehement ein, das Wachstumsziel überhaupt aufzugeben. Mit ihrer Forderung nach wachstumspolitischer Enthaltsamkeit vermengen sie allerdings individuelle Entscheidungen über das, was man für richtig hält, mit kollektiven Entscheidungen über das Wachstums-Wohl einer gesamten Gesellschaft. Wer aber sollte darüber bestimmen, welches Wachstum zu viel ist? Noch dazu, wenn es den beiden genannten Qualitätskriterien der Umwelt- und Finanzverträglichkeit genügt? Auf diese Frage gibt es aus guten Gründen bis heute keine schlüssige Antwort.
Jedem steht die Option offen, persönlich blindem Wachstumsglauben zu entsagen. Wir dürfen aber nicht anderen vorschreiben, wann sie aufhören sollen, um Wohlstand für sich oder ihre Nachkommen bemüht zu sein. Die Summe dieser Bemühungen hat in den letzten Jahrzehnten einen in der Wirtschaftsgeschichte bisher einzigartigen Lebensstandard hervorgebracht. Deshalb bleibt es vernünftig, Wachstum als die Summe individueller Anstrengungen in einer arbeitsteiligen Wirtschaft nicht gering zu schätzen. Aus Wertschöpfung soll auch in Zukunft „Wohlstand für Alle“ (© Ludwig Erhard) werden können.
04. Mai 2017