Die Furche - 213

Nicht nur so und nicht anders

 

Ein halbes Jahrhundert: was nach einer gefühlten Ewigkeit klingt, liegt doch „nur“ 50 Jahre zurück. Das geradezu anarchische Gitarren-Intro des Jimi Hendrix zu „Hey Joe“ ebenso wie jene „Walküre“ im fantastisch zeitlosen Bühnenbild des Günther Schneider-Siemssen, die ich bei den ersten Osterfestspielen erleben durfte. „Baujahr 1967“ nennt der Kultursender Ö1 seine spannende Erinnerungsleiste an diese Zeit des Aufbruchs.

Auch in meinem Salzburger Gymnasium tat sich damals Unerhörtes. Ein neuer Religionslehrer brachte Teile der Eltern- und Lehrerschaft gegen sich auf, weil er uns mit einer ganz neuen, sozialkritischen Dimension des Glaubens bekannt machte. Die Öffnung der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil war spürbar. Sie traf auf eine Generation junger Menschen, die dankbar waren für das Angebot, gläubig und modern zugleich sein zu dürfen.

Die Kirche selbst wurde mit der Aufgabe eines über Jahrhunderte behaupteten Alleinvertretungsanspruches damals nicht nur bescheidener sondern paradoxerweise auch mächtiger. Denn die Macht des Wortes wiegt schwerer aus dem Mund von jemandem, der ohne Rechthaberei und überkonfessionell für die Sache des Menschen eintritt.

In diese Zeit des Aufbruchs fiel auch die Priesterweihe jener elf Kölner Priester, die anlässlich des 50-jährigen Jubiläums ihrer Weihe zu Beginn dieses Jahres einen viel beachteten offenen Brief geschrieben haben. Sie sprechen besorgt aus, dass von ihrem seinerzeitigen Lebensgefühl, der Avantgarde einer sich erneuernden Christenheit anzugehören, wenig geblieben ist. Auch mache sie das abnehmende Interesse an Glaubensfragen oft resigniert und müde.

Das eigentliche Thema des alters-mutigen Briefes der in ihren Mit-Siebzigern stehenden Priester ist jedoch die mit berührender Offenheit angesprochene Problematik des Zölibats. Immer wieder, so heißt es da, führe das „Modell alleinstehender Mann“ als Voraussetzung für Priesterschaft bei den „alternden Ehelosen“ zu fruchtloser Vereinsamung. Sie hätten diese klerikale Lebensform seinerzeit um des Berufes willen zwar angenommen, aber nicht gewählt. Heute jedoch – das wird trotz diplomatischer Formulierungen in diesem Schreiben deutlich – erweist sie sich für Viele als im Grunde unzumutbar und überholt.

Ich fragte einen befreundeten Geistlichen, der dem gleichen Jahrgang wie die Verfasser des Offenen Briefes angehört, wie er denn die Sache sieht. Seine nachdenkliche, den Kölner Hilferuf vollinhaltlich bestätigende Antwort: „Ich möchte meine über 50 Jahre als Priester nicht anders gelebt haben, aber ich will keinem jungen Menschen einreden, dass es auch in der Zukunft nur so und nicht anders sein kann“.

Eine grundlegende Reform, die den Vereinsamungs-Zwang aufhebt, würde es wieder mehr jungen Menschen – auch Frauen – möglich machen, einer geistlichen Berufung zu folgen. Wer eine solche Reform verweigert oder für ein weiteres halbes Jahrhundert aufschieben will, riskiert wohl nicht weniger als die Zukunft lebendigen Glaubens.

20. April 2017

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